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Predigt am Ostermontag 2019 zum Thema
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Predigt am Ostermontag 2019 zum Thema "Steine"

Predigt vom 22.04.19 (Pfarrer Frank Bohne) Ort: Fahrradkirche

(Auf einem mit Stoff belegten Podest liegen Schotter-Splitt, ein Pflasterstein, der Teil eines Grabsteins)

Mein erster Ostergottesdienst in der Fahrradkirche Zöbigker – einer ehemaligen Kirchenruine – worüber soll da „der Neue“ predigen? Ich habe mich für Steine entschieden. Steine unterschiedlicher Art, von denen ich annehme, dass sie hier auf dem Gelände vorkommen und verbaut worden sind:
Ein Häufchen Splitt- und Schottersteine. Grob gebrochen. Ein ganz normaler Pflasterstein. Und das Bruchstück von einem alten Grabstein.
Die Linien zu ziehen zwischen Ostern, den Steinen und diesem Ort fällt nicht schwer. Es liegt gewissermaßen in der Luft: Singen wir doch in fast jedem Osterlied vom Stein, der weggewälzt war.

Auch in der pantomimisch gezeigten Evangelienlesung vernehme ich diesen Bezug: „Einige Frauen – so erzählen die beiden Jünger dem Fremden auf dem Weg nach Emmaus - haben uns erschreckt, die sind früh am Grab gewesen, haben eine Erscheinung gesehen und sagen, ER lebe...“ Der Stein, der nicht mehr an dem Ort ist, wo er hingehört… Wie verstörend.
Steine – wie sie hier liegen - haben auch im Erdenleben des Rabbi Jesus aus Nazareth eine Rolle gespielt. Kiesel- und Schottersteine, die sehe ich auf den zahllosen Wegen, die er gewandert ist. Als Christus zu den Menschen in die Dörfer ging, als er üble Geister austrieb, als er heilte und anderer Leute Hunger stillte, da haben ihn solche Kieselsteine beim Laufen müde gemacht. Israel ist ein Stein - reiches Land. Auch der Pflasterstein hat seinen Ort im Leben dieses Jesus. Auf seinen letzten Schritten quer durch Jerusalem, auf der Via Dolorosa, der Straße voller Schmerzen, da haben die Steine geschrien, als er unter den Schlägen der Peiniger mit dem Kreuz zusammenbrach. Bis hinauf nach Golgatha, wo er starb. Und den dritten Stein, den Grabstein, den wälzte man in aller Eile vor das Grab, in den man seinen Leichnam legte. Bevor die Sonne unterging und der Sabbat begann.

Drei Arten Steine. Harte, stumme Zeugen, sie markieren seinen Weg, der Gottessohn auf Erden. Sie waren Not - wendig, das meine ich ganz wörtlich: Not – wendend. Not - wendig für uns, not - wendend für unser Leben.

Doch die Steine, wie sie hier liegen, sagen natürlich auch ein Zweites: Sie stehen auch für Situationen in unserem Leben: Ich beginne wieder mit den kleinen spitzen Splitt- und  Schottersteinen. Rad zu fahren geht auf solchen Steinen schlecht. Es tritt sich schwer, und in Kurven sind sie nicht ungefährlich... Beim Wandern geraten solche Steine bisweilen in die Sandalen, in den Schuh. Du versuchst, ihn herauszuschütteln. Meist musst du halten, den Schuh ausziehen, denn es kann sehr schmerzhaft werden. Er kann dich wund, ja blutig reiben. So mögen diese Steine für all die Probleme stehen, die mich abgehalten, an denen ich mich aufgerieben habe. Auch das, worüber ich gestolpert bin. Und dann der Pflasterstein: Er kann für all die Wege stehen, auf denen ich schon gegangen bin. Auch die Umwege, die mir abverlangt wurden und die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin. All die Abwege und Irrwege, auf die ich aus eigener Schuld geraten bin. Auch die Sackgassen, in denen ich nicht weiter wusste, bis mich ein anderer herausgeführt hat. Schließlich der Grabstein. Der erinnert mich an meine eigene Endlichkeit. So ein Stein wird auch einmal über meinem Leben stehen. Vielleicht steht darauf dann: Unvergessen – wenigstens für 20 Jahre.

Ob bewusst oder unbewusst, Steine sind unsere stillen Begleiter. Sie lassen mich demütig werden, sie stehen für meine eigene Gebrochenheit, manchmal holen sie mich vom hohen Ross. Und dennoch. Da ist auch Ostern. Der Aufstand des Lebens gegen den Tod. Und wieder sprechen die Steine. In der Bibel. Aber diesmal schreien sie nicht. Sie singen.

Man singt mit Freuden von Sieg in den Hütten der Gerechten …  Denn der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.
Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen.“

Das sind Verse aus dem österlichen Freudenpsalm, den die Kirche zum Fest der Auferstehung singt. Der Eckstein im Tempel, das Fundament für Gottes Gegenwart, das ist ein Bild für den kommenden Messias. Für die christliche Gemeinde war sonnenklar, dass damit nur Christus, der Auferstandene gemeint sein konnte. Gottes Liebe – im Gekreuzigten, der lebt. Der Himmel ist offen. Und der Apostel im 1.Petrusbrief vergleicht uns Christen mit lebendigen Steinen. Wir sollen zum Eckstein Christus kommen, sollen so für uns neues Leben gewinnen und uns zu einem neuen Bau, zur Gemeinde verbinden. Eine Gemeinde aus lauter lebendigen Steinen ... Noch warten wir darauf, daß diese Vision wahr wird unter uns. Wir mühen uns und arbeiten dran, dass diese Hoffnung wahr wird unter uns und wir bitten Gott um seine Hilfe. Wir warten auch darauf, dass Christus wiederkommt und sich die Macht seiner Liebe ausbreitet in unserer Welt. Dass der Stein ins Rollen kommt. Unaufhaltsam und unbezwingbar. Damit die ganze Erde ein Ort der Liebe Gottes werde.

Ein Dichter jüdischer Herkunft – Paul Celan - hat die Sehnsucht nach Gottes neuer Welt, die Sehnsucht nach dem Kommen des Messias einmal so beschrieben:

"Es ist Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt.“


Schöner und poetischer kann man unsere Hoffnung kaum ausdrücken. Auch wir Christen hoffen und warten darauf: „Nun wird es Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt...“

Das ist die dritte österliche Linie, die ich ziehen will, hier an diesem Ort – der alten Kirchenruine - mit ihren vielen Steinen.

Es wird Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt.“ Was kann das hier bedeuten? Es wird kein Haufen alter Steine sein, der hier in Zöbigker wieder hübsch hergerichtet wird. Wir haben genug Gebäude in der Gemeinde, die es zu pflegen und zu erhalten, zu nutzen und zu füllen gilt. Eine weitere alte Kirche brauchen wir nicht.

Wenn hier sich etwas zu blühen bequemt, dann wird es die Botschaft sein, die sich mit den Steinen verbindet. Hier soll Neues, Anderes wachsen. Und es gibt ein paar Engagierte, ausreichend ver-rückte, nein: be-geisterte Leute, die gelauscht haben, wie der Stein sich vor ein paar Jahren zu räkeln begann. Die ihn dann zu lieben gelernt, ihn gestreichelt und gegossen haben, im richtigen Moment, so dass sich erste zarte Triebe zeigen. Die die ersten Knospen geschaut, die den Duft ihrer Blüten, der in der Luft liegt, schon geschmeckt haben. In einer ersten, zarten Spur.

Was sich zeigt, ist anziehend: zu ungewöhnlichen Zeiten und ungewöhnlichen Gelegenheiten: für Mitmenschen, die nach Sinn und Orientierung fragen, sich einladen lassen. Wo diese Kirche und ihr Gelände zum bunten Übungs-Garten werden für künftige Begegnungsformen von Gemeinde. Eine Gemeinde, die sich öffnet da hinein, wo kirchliche Zukunft liegen wird. Nicht im klerikalen Winkel, sondern ins Gemeinwesen hinein. Was seither aufgegangen, schon gewachsen ist, dass können wir sehen und uns nachher, an einem weiteren Abschnitt freuen.

Es wird Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt:

Die Kieselsteine auf den Wegen sollen Menschen hierher führen. Die Pflastersteine sollen davon reden, welche Wege Christus zu den Menschen nimmt. Es sind Wege der Freiheit. Und die Grabplatten, die hier gefunden und (an den Wänden) angebracht wurden, sollen weisen auf einen Horizont, den wir jetzt nur erahnen und erhoffen können: Wo der Tod und seine engen Grenzen überwunden sind. Ein Haus aus Licht und Luft und Freiheit.

Es wird Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt…

Ostern an der Fahrradkirche. Eine Spur der Hoffnung, die von jenem Grab im Garten bis zu uns herüberführt. Die mir Mut macht, diesem Auferstandenen zu trauen. Amen.

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Pfarrer Frank Bohne
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