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Predigt am Ostermontag
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Predigt am Ostermontag "Ostern – der Anfang christlichen Pilgerns"

Predigt vom 17.04.17 (Pfarrer Dr. Arndt Haubold) Ort: Fahrradkirche

Liebe Gemeinde,

zu Ostern begann das Pilgern. Die ersten Pilgerinnen waren die drei Frauen, die das Grab Jesu besuchten, um seinen Leichnam zu salben. Pilgern hieß zuerst, das Grab Jesu aufzusuchen. Auch die Jünger Petrus und Johannes drängte es am Ostermorgen zum Grab ihres Meisters. Doch sie waren nicht die ersten, die Frauen waren schon vor ihnen dagewesen. So ist das bis heute.

Der Wunsch, Jesus räumlich nahe zu sein und auf seinen Spuren zu wandeln, ist das älteste Motiv der Pilger. Die byzantinische Kaiserin Helena, Mutter Kaiser Konstantins, pilgerte im Jahre 326 in's Heilige Land, getrieben von dem Wunsch, das Kreuz Jesu zu finden. Angeblich fand sie auch dessen Überreste, die Splitter davon, die bis heute als Reliquien in zahllosen Kirchen der Welt aufbewahrt werden, ergeben gewaltige Holzstöße. Eine Nonne aus Westeuropa namens Egeria machte es ihr in den Jahren 381 - 384 nach und pilgerte durch das ganze heilige Land und verfasste darüber einen Bericht, dem man erst 1500 Jahre später, 1884 in einem italienischen Kloster wiederentdeckte. Von jenem Bericht der Heiligen Egeria haben wir die ältesten Nachrichten, wie es damals im Heiligen Land aussah und wie das Grab Christi beschaffen war. Im Hohen Mittelalter zog es Zehntausende von Europäern ins Heilige Land, darunter Herrscher wie König Barbarossa, viele unter Waffen als Kreuzritter, aber viele auch als friedliche Pilger. Weil aber nicht jeder Europäer den weiten und beschwerlichen Weg nach Jerusalem antreten konnte, pilgerte man dann zu den Gräbern beliebter Heiliger, die das Grab Jesu ersetzten. Allen voran nach Santiago de Compostela, aber ebenso nach Rom zu Petrus und Paulus oder nach Bari zum Heiligen Nikolaus. Man baute auch in etlichen Kirchen heilige Gräber Jesu nach, wir finden sie in Konstanz ebenso wie in Chemnitz. Zu den Gräbern der Heiligen, zum heiligen Grab Jesu, das waren die Ziele der Pilger. Es ging nicht um Entspannung oder Urlaub vom Selbst, nicht um interessante Begegnungen oder ähnliche Nebenzwecke. Es ging um die Begegnung mit Christus und den Heiligen an Orten einer besonderen Aura.

Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde ein Görlitzer Kaufmannssohn, Georg Emmerich, auf die Pilgerreise nach Jerusalem geschickt, nachdem er mit einer etwas unpassenden Liebesaffäre für Unruhe in der Stadt gesorgt hatte. Er hatte die geniale Idee, in Jerusalem Zeichnungen vom Heiligen Grab und den Pilgerstätten anzufertigen. Nachdem er nach Görlitz zurückgekehrt war, realisierte er 1465 den Plan, diese heiligen Stätten in Görlitz nachzubauen, zumal die Topografie der Stadt ihn irgendwie an Jerusalem erinnerte. So entstand das Görlitzer heilige Grab, das wir vor kurzem mit den Konfirmanden besucht haben. Das besondere daran ist, dass wir aufgrund des Nachbaus nach diesen alten Zeichnungen in Görlitz das heilige Grab finden, das dem Original am nächsten ist. Weil Jerusalem immer wieder zerstört und umgebaut worden ist, ist die heutige Grabeskirche in Jerusalem viel unechter als die Görlitzer Nachbildung, wenn diese auch nicht mehr das Original darstellt. Nun konnten viele Menschen aus Deutschland auf leichtere Weise zu einem Grab Jesu pilgern.

Auch wir sind hier an einem Pilgerort. Ein Stück eines Jacobusweges führt hier vorbei, auch wenn es ein bescheidener Abzweig ist. Und auch wir stehen nah an Gräbern. In der Gruft der Fahrradkirche ruhen die Gebeine von über 20  Angehörigen der Familie Kees, für die wir hier auch einen Gedenkort schaffen wollen. Sie waren vielleicht keine Heiligen, sondern geschäftige und umtriebige Grund- und Patronatsherren. Aber sie haben dem Ort viel Gutes getan, haben etwa diese Kirche gestiftet oder später jährlich ein Gesangbuch für alle Konfirmanden, unseren Kindergarten und vieles mehr. Deshalb wollen wir ihr Gedächtnis hier bewahren und einen Ort schaffen, an dem wir an diese Wohltäter erinnern.

Wir befinden uns aber überhaupt auf einem alten Friedhof. Unter uns sind jahrhundertelang unsere Vorfahren begraben worden. Vom 13. bis ins 19. Jahrhundert war der Kirchhof zugleich der Friedhof von Zöbigker. Erst danach ist er an die Zöbigker Straße verlegt worden, und in den 1980er Jahren hatten die Einwohner nochmals Angst, dass der Tagebau ihren Friedhof verschlingen würde. Deshalb verlangt dieser Platz einen gewissen Respekt und kann nie ein Tanzplatz werden oder ein Ort, den man für beliebige Späße mieten kann.

Das Herauskommen an diesen Ort am Ostertag nicht nur aus Markkleeberg, sondern aus Leipzig und Umgebung ist nicht nur ein gewöhnlicher Osterspaziergang, sondern ein noch so kurzer Pilgerweg. Wir sind Suchende. Wir möchten Jesus begegnen. Wir gehen zu Gräbern. Zu jedem Gottesdienst bringen wir in Gedanken unsere Verstorbenen mit. Wir denken daran, dass sie hier in unserer Gemeinschaft waren, dass sie hier Segen empfangen haben, dass wir hier für sie gebetet oder um sie getrauert haben – und dass uns die österliche Hoffnung umtreibt, sie mögen nicht verloren sein, sondern bei Gott ein anderes Leben geschenkt bekommen – wie Jesus am Ostertag. Deshalb möchten wir hier Jesus begegnen, nicht nur Musik hören oder Vorträge, nicht nur bauen und planen, sondern eine religiöse Begegnung erfahren, einen Glaubensgewinn. Der Aufbau einer Kirchenruine ist immer ein Glaubensakt. Wir wissen am Anfang nicht, wie es hinausgeführt werden kann. Wir beginnen ohne ein vollständiges Finanzierungskonzept. Wir vertrauen Gott, der uns helfen wird, auch wenn er sich dazu organisatorischer Vorgaben bedient und über B-Pläne, Förderprogramme und Ausschreibungen führt. Und wir verstehen unser ganzes Leben als eine geistliche Wanderschaft, einen Pilgerweg, der uns zu Gott führt über grüne Auen und durch dunkle Täler. 

Amen

 

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Pfarrer Dr. Arndt Haubold
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