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Predigt am Sonntag Invokavit zu Hebräer 4,14-16
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Predigt am Sonntag Invokavit zu Hebräer 4,14-16

Predigt vom 26.02.23 (Pfarrer Bohne) Ort: Gemeindezentrum MItte

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Das Wort für die Predigt steht im Brief an die Hebräer im 4. Kapitel:

Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. Darum lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.

Liebe Gemeinde!

„Alle reden vom Wetter, wir nicht!“ Dieser uralte Slogan aus der Studentenbeweging fiel mir ein, als ich mich mit dem heutigen Predigtabschnitt beschäftigte. Der Slogan meint: Während sich andere mit  Nebensächlichem, ja Unwichtigem abgeben, geht‘ s bei uns um das Eigentliche! Auf das andere Gelaber könnt ihr verzichten! Bei uns seid ihr richtig! „Die reden vom Wetter, wir nicht!“

Mit Blick auf die Lesungen vom heutigen Sonntag könnte man formulieren: „Alle reden von Versuchung,  der Predigttext nicht.“ Während Adam und Eva den Verlockungen der Schlange erliegen, zeigt das  Matthäus-Evangelium in einer Gegengeschichte, wie Jesus durch Fasten und Gottvertrauen den Versuchungen des Bösen widersteht. „So redet heute alles von Versuchung – doch der Hebräerbrief nicht!“ Gerade so, als ob uns der Schreiber zurufen will: Es wird euch nichts nützen, wenn ihr euch das Schicksal vom ersten Menschenpaar zu Herzen nehmt. Der Mensch bleibt verführbar. Wird Opfer seines  Aufbegehrens gegen Gott. Auch der Zeigefinger: „Paßt auf, seht euch vor!“, hilft da wenig. Und es wird euch ebenso wenig nützen, euch in die Geschichte von der Versuchung Jesu hineinzusteigern. Denn ihr seid nicht Jesus, dass ihr dem Teufel die Stirn bieten könntet, wie ER es tat. Ihr mögt viel über Versuchung reden und spekulieren, ich tue das nicht.
Stattdessen schlägt der Hebräerbrief ganz andere Töne an. Töne, von denen ich meine, dass sie für die beginnende Passions- und Fastenzeit viel wichtiger sind als Ratschläge, wie ich die täglich lauernden Versuchungen in den Griff kriegen kann. Der Abschnitt weist uns hin auf das Wesentliche unseres Glaubens. Auf das, was zählt. Also auf das, worauf ich bauen kann, selbst dann wenn ich mancher Versuchung auf den Leim gehe. Er weist mich hin auf den Gottessohn Christus. Zeigt mir die Konsequenzen, wenn ich zu seiner Gemeinde gehöre. Und entwirft für uns die Perspektive einer großartigen Zukunft.
Der Apostel versucht in seinem ganzen Brief in einer weiten Schau, das Wesentliche des christlichen Glaubens zu beschreiben: Sein Blick reicht dabei von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft. Allerdings bringt der Hebräerbrief diese entscheidenden Dinge in einem uns fremden, ungewohnten Bild zur Sprache:
Wir haben einen großen Hohenpriester, der die Himmel durchschritten hat.
Dieses Bild vom Hohenpriester hat die damalige Gemeinde viel besser verstanden als wir heute, die von Priestern und dem Opfern kaum noch etwas wissen. Dabei will das Bild nichts anderes sagen als: Keiner aus dem Volk ist Gott so nah wie jener Hohepriester im Jerusalemer Tempel. Der Hohepriester dient Gott. Er betet für andere, opfert für andere und darf für die andern ins Heiligtum hineingehen. Einmal im Jahr, am großen Versöhnungstag, durfte dieser eine Priester sogar das Allerheiligste durchschreiten. Durch alle Schranken und Vorhänge hindurch, um sich seinem Gott und Herrn zu nahen.Dann stand er im innersten Raum, am Altar und an den Bundestafeln, um die Bitte des Volkes um Erlass der Schuld aus dem zurückliegenden Jahr vorzubringen. Die Sehnsucht nach Erlösung, die Nöte und Ängste der Glaubenden nahm er mit hinein zu Gott. Keiner in Israel durfte sich Gott so weit nähern wie dieser eine Mensch.
Der Schreiber vom Hebräerbrief sagt nun: So nah wie dieser Hohepriester Gott kommt, so nah ist unser Herr und Heiland, Jesus Christus, dran an Gott. Aber nicht bloß einmal im Jahr, nicht nach x... Reinigungsbädern und Entsündigungsriten, und auch dann nur provisorisch und auf eigens Risiko.
Unser Hohepriester Christus hat das Allerheiligste durchschritten, um von nun an immer dort zu bleiben, in Gottes Nähe. So nah dran tritt er beständig für das Heil der Seinen ein. In großer Treue zu diesem Herrn bringt er sein Sühneopfer dar.
Doch was mit IHM dabei geschieht, ist nicht wie bei den Juden. Er opfert nicht nur den Sündenbock, dem alle Schuld aufgebürdet wird. Bei IHM geschieht mehr: Er gibt sich selbst – und er gibt sich ganz!
Deshalb muss dieses Opfer der Selbsthingabe im nächsten Jahr nicht wiederholt werden. Denn ER bleibt ja bei Gott, und tritt dort auch künftig für die ihm Anvertrauten ein. Deshalb reicht sein Opfer aus für alle Zeit. Ein für allemal. Alle, die zu diesem Hohenpriester gehören, dürfen darauf bauen, dass Gott sein Opfer angenommen hat. Deshalb braucht es fortan auch keine andern Zeremonien mehr. Indem dieser Eine sich dargebracht hat, indem er jetzt bei Gott ist und ihm nahe bleibt wie der eigene Sohn, deshalb können alle anderen Versuche, Gott milde und freundlich zu stimmen, getrost aufhören. Christus ist das Ende aller Opfer. Bange machen gilt nicht mehr. Selbst wenn ich immer wieder schmerzhaft erfahren muss, wie ich versage. Wie meine Kraft nicht zu reichen scheint für ein halbwegs aufrichtiges Leben. Wie ich mich immer um mich selber drehe und mich an anderen vergehe…  Die Rechnung für meine Schuld ist beglichen. Das sagt mir dieser Hohepriester, der Gottessohn, zu.  ER steht jetzt und künftig bei Gott ein. Für dich und mich. Bittet für uns. Und ER wird erhört.
Bleibt nur die Frage, ob ich auch zu diesem Hohenpriester gehören will. Ob ich das in Anspruch nehmen will, was mir dieser Christus verspricht. Der Schreiber unsrer Verse ruft seinen Lesern zu: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.“ Anscheinend hatte die Gemeinde schon damals genau da ihre Defizite: Im Festhalten dessen, was man eigentlich glaubt..
Das Ende des 1. Jahrhunderts ist die Zeit der ersten großen Christenverfolgungen durch den römischen Staat. Wer nicht dem Gott-Kaiser aus Rom seine Verehrung erwies, die Polit-Religion schluckte, der galt als Staatsfeind und musste sogar mit dem Tode rechnen. Ist es da verwunderlich, wenn viele Christen sich von ihren Gemeinden lösten, um das nackte Leben zu retten?
„Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.“ – mahnt der Apostel seine Leser. Und das Grundbekenntnis jener Tage war: Nicht der Kaiser ist der anbetungswürdige Kyrios. Sondern Christus. Keiner steht Gott näher, als der Gottessohn.
Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison… Wir bekennen das bis heute in der Liturgie!
Er ist EINER, der wie kein anderer an Gott festgehalten hat, obwohl er hart auf die Probe gestellt wurde. Dabei denkt der Schreiber sicher nicht nur an die drei Szenen der Versuchung Jesu in der Wüste. Viel deutlicher ist ihm dabei wohl die nächtliche Szene im Garten Gethsemane. Jesus sieht genau, was geschehen wird. Er zittert vor Angst. Er ringt mit Schweiß und Tränen. Ganz allein hat er diese Anfechtung durchzustehen. Während seine Begleiter pennen, rückt der Verräter schon mit dem Verhaftungskommando an.
„Jesus ist versucht worden, in allem wie wir.“ Das zu wissen, kann für verfolgte Geschwister zu starkem Trost werden. Vor allem, weil Christus seine Prüfung bestanden hat. „Er blieb ohne Sünde.“ fügt der Schreiber hinzu. „Ohne Sünde“..., das meint: Er hielt in der bedrückenden Lage fest an seinem Gott. Ist nicht weggelaufen und hat sich versteckt. Er blieb bei seinem Vertrauen, obgleich er auf den schwersten aller Wege gewiesen wurde. Deshalb bekennt die Gemeinde IHN als Gottes Sohn. Der Auferstandene ist ihr Hohepriester, der durchgedrungen ist bis zu Gottes Angesicht.
Darum sollen auch wir festhalten an dem Bekenntnis. Es ist mehr als eine Durchhalte-Parole. Das ist die schlichteste Begründung, die ich kenne, warum Glauben gut ist: Wir sollen fest halten am Bekenntnis, damit wir genauso nah bei Gott sind wie dieser Jesus.
Die Reformation hat diesen persönlichen Glauben neu ins Gespräch gebracht: Es nützt nichts, wenn ich irgendwem hinterher laufe und irgend welche Glaubenssätze bloß nachplappere.Die entscheidende Frage für dich und mich heißt: Weiß ich mich durch diesen Christus unmittelbar mit Gott verbunden? Dass ER mein Hohepriester ist, der mir den Zugang zu meinem Gott und Herrn geebnet hat?
In großer Konsequenz haben die Reformatoren deshalb vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen gesprochen. Da ist niemand mehr, der sich dazwischen schieben könnte –   zwischen meinen Gott und mich. Keine fürbittenden Heiligen, und keine Jungfrau Maria. Und erst recht kein Papst und kein Priester, die an meiner Stelle und für mich am Altar noch irgend etwas zu werkeln hätten. Für die Beziehung zu Gott bin ich selber verantwortlich. Der Einritt ist bezahlt und die Tür steht offen. Nur kommen, eintreten und glauben, das muss ich noch!
Das Priestertum aller Glaubenden – so wie es unser  Predigtwort begründet – ist ein Merkmal christlicher Gemeinde. Leider wird das in protestantischen Gefilden, auch bei uns, oft falsch verstanden. Die Einladung: Tritt her zu Gott, die Tür steht offen... , wird missverstanden in die Richtung: ‚Ich muss ja nicht. Ich kann’s auch lassen. Denn wenn die Türe immer offen steht, kann ich auch andermal hin. Dann, wenn‘ s besser passt. Hauptsache, in meinem Gewissen, da glaub’ ich schon noch irgndwie. Oder Oma, die die Hände für mich faltet.‘
Doch das allgemeine Priestertum der Glaubenden ist kein Freistellungsbescheid, den christlichen Glauben so lange zu verallgemeinern und zu verwässern, bis von seinem Kern kaum mehr was übrig ist. Was gut und wert und heilig ist, aufzulösen in Allerwelts-Weisheiten… In ein Ideal vom Gutmenschen. Dem gebildeten und doch ganz netten Kerl, der wir irgendwie doch alle sind...  Glaube ist hochverbindlich: gegenüber Gott und untereinander. Denn immerhin ist da EINER, der Gottessohn, für mich gestorben…
Das Priestertum aller Gläubigen. Wohlgemerkt: Priestertum. Nicht „das Predigtamt aller Gläubigen“ ist gemeint, um Lücken mit Ehrenamtlichen zu stopfen. Das Priestertum aller Gläubigen ist der Aufruf, tatsächlich „Priester“ zu werden. Und noch immer ist Christus dabei Vorbild, damit wir eine Idee bekommen, was wir tun können und sollen: Wie Christus einstehen für unseren Glauben. Ihn bewahren, ihn nicht wechseln oder ablegen wie ein Hemd. Wie ein guter Priester mit unserem Leben eintreten für den Bruder, die Schwester. Unsere priesterlichen Fürbitten sollen nicht abreißen vor unserm Gott und Herrn. Und da ist so unendlich viel…  An Not und Leid und Krieg und Zwietracht und Hass und Selbstgerechtigkeit und Gleichgültigkeit. Ein unbezwingbarer Berg für Sysiphos. Doch für Christen erbetbar, als Priesterinnen und Priester wie dich und mich. Und dann sollen wir uns IHM auch noch nahen. Ein praktischer Rat. Das Sofa verlassen und losgehen und seine Nähe suchen. Hinzutreten an den Thron der Gnade, wie es in unserm Abschnitt heißt. Und wo könnte das besser geschehen als in der Hauptversammlung der Gläubigen? ... bei Wort und Sakrament.
Ich rede nicht vom uniformen Sonntag,10 Uhr, liturgisch in A, B oder C. Das sei klar gesagt! Konfirmaden haben recht, wenn sie unsre Gottesdienste manchmal langweilig und öde finden...
Es gibt viele Aufbrüche des Traditionellen, wann auch immer und über die Woche. All das soll und kann und muss sein. Nur: ohne losgehen, sich begegnen, sich treffen mit andern geht es nicht. Denn das ist die Ladestation für Gottes Bodenpersonal, für alle Priester unseres Herrn.
Und wenn ich bei Besuchen manchmal höre: „Wir sind ja nicht so Kirchgänger, Herr Pfarrer. Wir sind bei schönem Wetter so oft draußen in der Natur und im Wald, da sind wir Gott auch nah…“ Dann ringe ich mit meiner Höflichkeit, um nicht die Antwort zu geben, die sich ein guter Freund aus dem Erzgebirge für diese Fälle zurechtgelegt hat: ‚Wenn du Gott im Wald nah bist, dann lass dich doch vom Oberförster begraben. Vielleicht kann der dich retten…‘ Ein barsches Wort, gewiss, aber ich denke, dem Verfasser vom Hebräerbrief hätte es gefallen.

„Alle reden vom Wetter, wir nicht.“ Lasst uns drauf achten, dass auch wir nicht von Dingen reden, die nebensächlich sind und sich so schnell ändern wie das Wetter. Worauf wir nun über 7 Wochen mal verzichten könnten. Aufs Shoppen; aufs Rauchen oder rote Himbeer-Limonade. Was wir alles beachten müssen, um vor Ostern noch schnell bessere Menschen zu werden. Dass wir den Versuchungen nicht nachgeben, die auf uns lauern, jedenfalls nicht gleich...  Stattdessen lasst uns ergreifen, was zählt. In der vorösterlichen Zeit davon reden, was uns blüht. Das Fest der Freude mit unserem Herrn. Der Sieg des Lebens über den Tod. Dorthin sind wir unterwegs. Als Einzelne und auch als Gemeinde. Amen.

Predigtlied EG 351, 1-4 (Ist Gott für mich, so trete)

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Pfarrer Frank Bohne
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