Predigt am 3. Advent 2020 zu Luk. 1, 67-79
Predigt vom 13.12.20 (Pfarrer Frank Bohne) Ort: Martin-Luther-Kirche
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Das Wort für die Predigt, zugleich das Evangelium für den 3. Advent, ist sehr bekannt. Der Lobgesang des Zacharias. Das Benedictus. Ein komplettes Lied. Das kann man eigentlich nicht nur vorlesen wie einen anderen Text. Man müsste es singen. So wie es in vielen christlichen Gemeinschaften jeden Morgen gesungen wird. Es gehört zum Morgengebet der Kirche, zur Mette.
Aber Singen soll in diesen Zeiten nicht sein. So lasst uns das Benedictus wenigstens miteinander lesen. Vers um Vers, wie einen Psalm. Denn das ist es ja auch: ganz in der Tradition Alttestamentlicher Psalmen. Und die hat man sich im Tempel gegenseitig zugesungen.
Ich bitte Sie, dieses Lied einmal aufzuschlagen! ( Gesangbuch NR. 783.6)
So lasst uns gemeinsam wie Zacharias singen/ beten!
Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach:
Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –,dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund,
an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben,
dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.
Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
Der Herr segne an uns dieses Wort!
Liebe Gemeinde!
Mit einem Loblied soll jeder Tag beginnen. Deshalb haben die Väter der Kirche dieses Lied für den Morgen bestimmt. In jeder Mette soll es angestimmt werden. Aber ist uns heute früh überhaupt nach Lob zumute? Erst recht in diesen Tagen und Wochen?
Einer Schwester kamen gestern an der Haustür bei den Gedanken an Weihnachten mit womöglich keinen Gottesdiensten die Tränen…
Also wie ist das mit dem Loben und der Freude? Lässt die sich sonntags liturgisch herbei zitieren? „Tochter Zion freue dich…!?!“ Wenn mich Gedanken zum Lockdown runter ziehen… Was kann in christlichen Gemeinden noch sein?
Dazu die Sorgen um die alt gewordenen Eltern, Angehörige, Gemeideglieder... Die erneute Schulschließung für die Kinder, das digitale Hin und Her mit den Aufgaben per Computer… Und dann verstörende Zeilen von Freunden, die du magst und schätzt, wo du dachtest: du kennst sie… „Demokratiezerstörer“ wirst du da in einer Mail genannt, „herbei getestetete Pandemie“, „gottlose Impfung“,
Gefährlich nah dran an sogenannten „Querdenkern“… Was für eine selbstbezogene Arroganz: als ob andere die Situation nicht ständig vor und zurück überlegt hätten. Als ob das Krankenhaus in Borna nicht voll wäre und Ärzte – unsere Gemeindeglieder - schon jetzt am Rand ihrer Kraft... Wie tief zerrissen ist dieses Land, der eigene Freundeskreis ...
All das macht mir keine Lust zum Loben. Eher zum Heulen, es ist zum Schreien und Davonlaufen... Wohl kaum eine Familie in diesen Tagen, die nicht belastet, verunsichert ist. Und dann ist ja auch noch Advent. Wir sind überspannt, empfindlich...
Wenn ich nun noch einmal in das Loblied hineinschaue, jenen Lobgesang, den Zacharias anstimmt, dann lese ich beim zweiten Mal auch auffällig harte Worte: Neben der großen Freude über Gott ist da von „Feinden“ die Rede, und von Menschen, die hassen; von Finsternis, ja sogar vom Schatten des Todes.
Wie bekommt Zacharias das alles nur zusammen in ein Lied?
Am Anfang des Abschnitts steht bei Lukas ein kurzer Satz. Wie eine Überschrift, die uns das Nebeneinander solcher Gegensätze verstehen lässt:
Zacharias wurde vom heiligen Geist erfüllt, heisst es da.
Er redet also nicht nur aus sich selbst. Es ist der Geist, der ihm hilft. Der Gottesgeist schafft, das Übel zu benennen, und trotzdem aus voller Kehle Gott zu loben. Gründe zum Loben gibt’s genug. Zacharias beginnt mit den Lichtpunkten in der Geschichte seines Volkes Israel:
Vom Bunde Gottes will er singen. Wie DER sich an Abraham bindet, den kinderlosen Viehtreiber aus dem Lande Ur.
Vom Bunde Gottes will er singen. Wie DER sich an David bindet, einen jugendlichen Rebellen aus dem Bergland von Judäa. Der mit seinen Frauengeschichten nicht nur einmal seinen Thron gefährdet.
Vom Bunde Gottes will er singen. Wie Gott sich an Propheten bindet, immer wieder. Den Rufern in der Wüste des Wohlstands, die einem selbstbezogenen und undankbaren Volk immer wieder den Weg zum Leben weisen.
Zacharias hat gute Gründe, Gott zu loben. Tausend Jahre Weg mit dem Gott Israels sind für ihn Grund genug. Doch auch in der Lebensgeschichte dieses Zacharias hat der barmherzige Gott seine Spuren eingezeichnet: Er ist mit seiner Frau alt geworden. Viel zu alt zum Kinderkriegen. In den Augen der Nachbarn hatten sie umsonst gelebt. Da wird Elisabeth schwanger. Und Zacharias verstummt. Es verschlägt ihm buchstäblich die Sprache.
Nun soll er doch einen Sohn haben. Nicht nur irgendeinen Sohn. Sondern einen, der anderen Gottes Heil verkündet. Der dem Messias den Weg bereitet. Johannes, der Prophet.
Zacharias ist überreich beschenkt. So geht ihm der Mund über. Das Gotteslob öffnet ihm wieder die Lippen. Sein Leben, das, was er mit Gott an Gutem erfahren hat, mündet in ein großes Lob. Er singt das Lied der Rettung, selbst wenn er Finsternis und Schatten zur Genüge erfahren hat. Er und sein Leben sind Teil von Gottes Zukunft.
DU großer Klang in meinem kleinen Leben… *
Das hat Zacharias voll Dankbarkeit erkannt.
Können wir uns an diesen gealterten, vom Leben gezeichneten Zacharias halten, uns an ihn anlehnen? Den Ton der Liebe, den er anstimmt, übernehmen? Und den Takt der Freude, den er schlägt?
Gute Gründe, Gott zu loben, werden sich auch bei uns noch finden. Auch wir können vom Bunde Gottes singen: Wie sich Gott an uns gebunden hat, an dich und mich, in der Taufe. Wie ER jedem einzelnen von uns verspricht: Du gehörst jetzt zu mir, komme was mag! Nichts wird uns trennen.
Wir können davon singen, wie Gott sich Tag um Tag an uns bindet: Mit seinem Wort, im Trost aus so manchem Vers der Psalmen. Im Zuspruch. Einem Lächeln. Einem von Herzen guten Wort, die ich von Geschwistern ja auch erfahre. Nur wird es oft verschüttet unter einer Alltagswalze.
Wir können singen, wie Gott sich an uns bindet, weil er Schuld vergibt. Wie GOTT dich und mich schön macht, weil ER uns mit seinen Augen sieht. Mit den Augen der Barmherzigkeit, die immer wieder Gnade vor Recht ergehen lassen.
Gott bindet sich an uns. An deine und meine Lebensgeschichte. An unser Stück Leben, das wir aus seiner Hand empfangen. Und er will auch weiter mit dir und mir seine Zukunft bauen, hier, an diesem Ort, in dieser Gemeinde. Ist uns das ein Loblied wert? Auch in diesem Advent? Es muß ja nicht gleich so ausgefeilt und so poetisch sein wie das des erfahrenen Tempeldieners Zacharias. Er kannte die Psalmen in- und auswendig, war in ihnen zu Hause.. Doch vor Gott genügt auch ein Stammeln, ein Brummen und ein Radebrechen. Hauptsache, der Ton der Liebe und der Takt der Freude stimmen. Denn noch immer gilt seine Verheißung:
Uns wird besuchen das Licht aus der Höhe.
Auch dieses Weihnachten. Die Liebe Gottes, die mit Jesus Christus zum Greifen nahe ist.
In den Wochen des Advent zünden wir viele Kerzen an. Hier in der Kirche, in den Fenstern. Zu Hause in der warmen Stube... Wir tun das nicht nur, weil Kerzen gemütlich sind. Kerzen sind wie Zeichen: Sie schenken Licht - und verzehren sich dabei selbst. So wie Christus sich für uns verzehrt. An dieses Licht aus der Höhe können wir denken, wenn uns das Loben nur noch schwer über die Lippen kommt. Können uns erinnern, wie Gott auf uns zukommt, voll Liebe, und sich an uns bindet. Das wird auch unsere Herzen zu mehr Loben führen: Das Lied, das wir dabei anstimmen, wird kein „Eiapopeia vom Himmel“ sein. Da hat sich Heinrich Heine schwer geirrt. Das Lied, das wir anstimmen, das hat Raum auch für das Dunkle, für die Schattenseiten des Lebens, sogar für den Tod. Christliches Singen sieht die Welt, wie sie ist. Das Dunkle gibt dabei niemals den Ton an. Es wird überstrahlt von Gottes Liebe. Wird unterlegt vom Takt, den uns Gottes Guter Geist vorgibt. Ihn lassen wir klingen, wenn wir das Schwere zur Sprache bringen.
Um diesen Takt werden wir bitten müssen in den nächsten Wochen. So wie das Morgengebet der Kirche mit der Zeile beginnt: Herr, tue du meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige. Wir bitten um diesen Geist. In diesem so anderen Advent, an den Tagen des kommenden Festes, auch im neuen Jahr.
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Ein Lied, in dem das Dunkle neben dem Lichte steht, in dem bei allem Schweren dennoch die Freude der Christgeburt besungen wird, soll jetzt von der Orgel erklingen: Das Adventslied: "Die Nacht ist vorgedrungen". Wir haben es vorhin schon gehört. Und bitte lesen Sie dabei still die Strophen 4+5. Jochen Klepper hat diese Zeilen 1938 geschrieben. In einer Zeit, die ihn und seine jüdische Frau nicht hat leben lassen. Christus haben sich beide Eheleute anvertraut, selbst in ihrem Freitod. Trotz dieser tiefsten Dunkelheit konnte Klepper immer noch die Nähe Christi, das Licht aus der Höhe besingen. Nicht als „Eitschi bumbeitschi bumbum“ wie auf dem Weihnachtsmarkt. Sondern als feste Zuversicht. Solches Singen kann tatsächlich tragen. Bis ER kommt, unser Herr. Amen.
Die Melodie von EG 16 „Die Nacht ist vorgedrungen“ wurde zweimal gespielt. Dazwischen wurde Strophe 4 rezitiert.
* „Du großer Klang in meinem kleinen Leben“
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