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Predigt über Johannes 1, 29-34, am 1. Sonntag nach Epiphanias
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Predigt über Johannes 1, 29-34, am 1. Sonntag nach Epiphanias

Predigt vom 08.01.23 (Pfarrer Frank Bohne) Ort: Martin-Luther-Kirche

Hier können Sie das Glockenläuten der Martin-Luther-Kirche hören.

Liebe Gemeinde!

Wann hat eigentlich Ihr Glaube angefangen? Könnten Sie das benennen? Wenn Sie als Erwachsener getauft worden sind, und Sie diese Erfahrung am Taufbecken im Innern überwältigt hat, war es vielleicht jenes Datum. Manchmal können Menschen, die eine Evangelisation bei einem berühmten Missionar besucht haben, so einen Schlüssel-Moment, und damit den Beginn ihres Glaubens benennen.
Ich kann das nicht. Im Gespräch mit Bekehrungs-Enthusiasten hatte ich manchmal das komische Gefühl, irgendwie noch nicht richtig zu glauben wie sie. Wann bei mir der Glaube angefangen hat, weiß ich nicht. Ich habe den Eindruck, immer schon irgendwie mitten drin zu sein. Ich war eingebunden in das, was andere vor mir geglaubt haben. Mitten drin, was um mich herum in Kindergottesdienst und Kurrende, später Junger Gemeinde und Kantorei besungen, besprochen, bekannt wurde.
Einfach drin sein in einem breiten Strom von Kirche, einer Gemeinde, mir wichtig gewordenen Menschen… Wie ich dann in den Jahren meines Pfarrdiensts erfahren habe, ist es wohl vielen Geschwistern so ergangen. Sie können nicht exakt datieren, wann ihr Glaube angefangen hat. Sie waren mitten drin, geprägt von Worten der Heiligen Schrift, liturgischen Vollzügen, einer Gemeinschaft.
Auch den Verfassern bibischer Bücher ist es so ergangen. Sie waren mitten drin, immer schon geprägt durch Glaubende, die vor ihnen waren. Vor diesem Hintergrund haben sie das aufgeschrieben und gesagt, was ihnen zu ihrer Zeit wichtig war. Haben Akzente gesetzt. Als Wort und Wille von Gott, hinein in ihre Zeit. Ihre Gedanken als Rede Gottes an die Völker der Welt, an Israel, oder an Einzelne.
So ist auch der Evangelist Johannes geprägt. Auch er ist schon mitten drin. Kommt her von der Jesusgeschichte, wie andere sie vor ihm aufgeschrieben haben: Matthäus, Markus, Lukas. Sie sind ihm und seiner Gemeinde vertraut. Er braucht nicht alles noch einmal zu erzählen. Er erzählt, was ihm wichtig geworden ist, was es in seiner Zeit  bedeutet. Er erzählt es neu.
Was er voraussetzt, deutet er manchmal nur an. Wo ihm ein Licht aufgegangen ist, das entfaltet er breit. Auf eigene Art. Anders als seine Vorgänger. Und doch vertraut mit ihren Worten, verbunden im selben Glauben.
Johannes erzählt von Jesus und beginnt so: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort.“
So stellt er gleich am Anfang seines Buches klar: Gott und sein Wort – lässt sich nicht trennen. Gottes Wort ist nichts Extra. Es ist IHM höchst eigen.
Johannes könnte auch sagen: Im Anfang war die Tat. (So wie’ s Faust im Studierzimmer bei Goethe versucht, und recht damit hat!) Denn was Gott sagt, geschieht. Wort und Tat sind bei Gott eins. Nicht voneinander zu trennen. Gott ist Wort und sein Wort ist Tat. Das soll von Anfang an klar sein, wenn von Jesus die Rede ist.
Und ein paar Verse weiter schreibt Johannes: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“  Das ist gewiss die knappste Weihnachtsgeschichte der Bibel. Doch warum soll er ausschweifen?! Er bringt’s auf den Punkt. Alles weitere ist bekannt.
Gott und sein Tat-Wort, Gott und Jesus, das ist nicht voneinander zu trennen. Es gehört zusammen. Das ist alles eins. Mit diesem Gott und seinem Wort - Jesus - haben es die Menschen zu tun. Nicht erst im Jahre, als Kaiser Augustus die Volkszählung befahl. Sondern von Anfang an, vor aller Zeit.  Auch das soll klar sein.
Johannes hat mit seinem Evangelium ein Ziel: Am Ende, im 20. Kapitel, spricht er es aus:  Alles hat er erzählt, „damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben in seinem Namen das Leben habt.“ Damit kann er seine Schrift beschließen.
In dieses Ziel sind alle einbegriffen, die dieses Evangelium hören oder lesen, also auch wir Markkleeberger im 21. Jahrhundert. Es geht um unsern Glauben. Um unser Leben.
Wir sollen ein Leben haben, das diesen Namen verdient. Ein Leben, das sich an Jesus gebunden hat und seinen Gott
„Das Wort wurde Mensch und wohnte unter uns.“ Von Jesus reden heißt, von seinem Volk zu reden, in dem er lebt und dessen Glauben er teilt. Jesus ist gläubiger Jude. Deshalb kommt er zu Johannes an den Jordan, um sich taufen zu lassen, wie andre auch. Auf diese Weise kommt bei ihm Johannes der Täufer ins Spiel: Wer ist dieser Johannes?
Der Evangelist lässt ihn zunächst antworten, wer er nicht ist: Er ist nicht Christus, der erwartete Retter. Er ist auch nicht Elia, mit dem die letzte Zeit anbricht. Und Mose, dem Gott die Thora anvertraute, und der zusammen mit Elia das Weltenende anzeigen soll, ist er auch nicht.
„Was bis du dann?“, wird er weiter gefragt. Da borgt er sich Worte der Heiligen Schrift von Jesaja: „Ich bin die Stimme des Predigers in der Wüste. Ebnet dem Herrn den Weg!“ So macht der Evangelist den Täufer zum Wegbereiter. Zum Zeichengeber. Zum Zeugen. Das reicht. Mehr muss von ihm nicht gesagt werden.
Und dann erzählt er die Begegnung von beiden, von Jesus und dem Täufer. Er erzählt sie anders als Matthäus, den wir vorhin gehört haben. Die Verse sind das Predigtwort für heute, und wir werden darin manches vermissen. Ihm, dem Evangelisten aber, ist es so genug: 

Lesung Johannes 1, 29-34

Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser.
Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.

Johannes als Wegbereiter. Zeichengeber. Als Zeuge. Das reicht. Wer aber ist dann Jesus? Johannes gibt darauf schon im 1. Kapitel etliche Antworten:

Jesus ist Wort. Leben und Licht.
Der Sohn Gottes, der König von Israel.
Der Menschensohn. Und schließlich Gottes Lamm.

Es sind Namen für Jesus, die sagen wollen, wer er ist.
Später im Evangelium werden wir noch weitere Namen hören: Da wird er das Brot des Lebens sein. Der Weinstock, an dem wir hängen wie die Reben. Licht der Welt ist er. Weg und Wahrheit. Das Leben selbst. Die Tür. DER gute Hirte. Und Inbegriff der Auferstehung.
Alles Namen für Jesus, die sagen, wer er für die Menschen ist. Namen, die umschreiben, was mit Blick auf Jesus andern Menschen klar geworden, was ihnen aufgegangen ist. Sie nehmen Bilder aus dem Alltag und solche aus der Glaubenstradition. Damit Jesus allen alles werde.
In unsern Versen geht Jesus zu Johannes, um sich taufen zu lassen, und ordnet sich damit bewusst ein in die Glaubenstraditon seines Volkes. Der Täufer ist Zeuge dafür. Er gibt nur weiter, was ihm mit Blick auf Jesus klar geworden ist. Er wusste es nicht vorneweg, sagt Johannes. „Ich kannte ihn nicht“, heißt es im Text.
Dem Täufer musste erst ein Licht aufgehen von Gott. Gott hatte ihm ein Erkennungs-Zeichen gegeben: Geist von Gott wird diesen Jesus erfassen – und auf ihm bleiben. Denn wo Jesus ist, da ist auch der Geist, der von Gott kommt.
Jesus und der Geist und Gott – auch das lässt sich nicht trennen. Es gehört zusammen.
Wer auf Jesus sieht, der sieht den Geist. Wer auf Jesus sieht, der sieht Gott. In Jesus wird das Unsichtbare sichtbar, das Unfassbare fassbar. Mit Händen zu greifen. So versteht der Evangelist Jesus von Anfang an. Das muss gesagt werden, damit Menschen glauben. Damit sie im Glauben bleiben wie Jesus. Damit sie dem treuen Gott treu sind.
Der Evangelist spinnt den Faden noch weiter. Durch den Mund des Täufers sagt er:
„Er ist der Sohn Gottes.“
Es gibt Begriffe, die ziehen zwingend einen zweiten nach sich. Wer A sagt, muss B sagen. Wenigstens denken! So ist das mit dem Begriff „SOHN“. Einen Sohn gibt’ s nur, wenn’ s dazu Mutter und Vater gibt. Kinder gibt’s nicht ohne Eltern. Mutter, Vater, Tochter, Sohn sind Worte, die es nicht für sich gibt. Die es - auch unausgesprochen - nur miteinander gibt. Jesus ist Sohn. Dann ist Gott: Mutter und Vater. Sie gehören zusammen, ganz eng.
Der Evangelist umkreist beständig diese Gedanken. Jesus ist Sohn Gottes schon immer.
Er ist das Wort, das bei Gott ist, von Gott kommt. Wenn wir ihn hören, dann hören wir Gott. Er ist das, was Gott zu sagen hat. Leibhaftiges Wort. Ihm sollen wir vertrauen.
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Wer also ist Jesus? Vielfältige Antwortversuche hören wir im Johanneseevangelium. Der Evangelist behauptet nicht: Das müsst ihr alles glauben, herbeten und verstehen. Er lädt uns aber ein, den Versuch zu wagen. Durchzubuchstabieren, wie viel bis heute in diesem Jesus steckt. Wer Jesus für die Menschen auch heute sein kann.
Wer also ist er …  für dich? Für mich?  Manchmal helfen Antworten von Glaubenden vor mir.
Vielleicht geht mir aber auch ein Licht auf - wie dem Täufer - ,und ich finde andere, neue Antworten. Deine und meine Antwort müssen sich nicht gleichen. Hauptsache, sie treffen den Kern. Deinen Kern. Meinen Kern. Herz - Seele- Verstand. wie du es auch nennen willst. Das was die Welt im Innersten zusammenhält, in Goethes Worten bei Faust.
Wenn ich Antwort suche, für mich, und du für dich, dann sind wir immer mitten drin in unsrer Zeit, ihren Bildern, Metaphern, Wichtigkeiten. Das ist nichts Schlechtes. Das war schon immer so. Lass es dir nicht als Zeitgeist von andern vermiesen, die sich an Worthülsen klammern! Frag nach Bildern, nach Antwort, wer Jesus für dich ist!
Und wenn „HERR und Heiland“, „Grund und Ursach allen Seins“, „erster Beweger“, „Ziel der Geschichte“ …nichts mehr besagen, weil sie leer geworden, manchmal von Kirche selbst missbraucht, entleert, geschändet worden sind, dann versuch es anders, und sei mutig! Johannes ist es auch.
Vielleicht ist Jesus für dich einfach ein Freund. Das ist ein Privileg im Gegensatz zu Verwandten! Die kannst du dir bekanntlich nicht aussuchen, sondern musst sie aushalten. Den Freund aber, den wählst du aus. Nur du. Niemand sonst. Dem kannst du vertrauen. Er oder sie ist da. Hört zu und schweigt. Und wird dich niemals in die Pfanne hauen.

Oder ER ist: Der „Rote Faden“, den wir so oft vermissen und verlieren, im quirligen Durcheinander von Arbeit, Freizeit und Familie.
Jesus mag der „Rahmen“ sein, in einer Welt, die aus dem Rahmen kippt.
Der Spiegel meiner Existenz, in dem ich langsam erkennen kann, wie Gott mich einst entworfen hat.
„Der große Klang in meinem kleinen Leben…“ wie es in einem neuerern Chorsatz heißt.

Ein schönes Bild: Der große Klang in meinem kleinen Leben. Nicht erst der Schlussakkord am Ende. Nein, schon jetzt der tragende Klang, auf dem ich meine Töne setzen kann.
Er - Jesus -  ist die Quersumme meiner Einsilbigkeit. Wenn ich radebreche und zu buchstabieren versuche, wo ich eigentlich hin will in diesem Leben.
Er ist das große Du für immer mehr Leute in unsrer Zeit, die sich allein und einsam fühlen.
Er ist Anstifter zum Widerstand, wenn du glaubst, die Welt fährt gegen die Wand.
Das Salz in der Suppe, die ich mir täglich einbrocke und auslöffeln soll.

Wer ist Jesus für dich? Hör um Gottes Willen nicht auf zu buchstabieren! Es lohnt sich!
Der Täufer Johannes sagt in der kurzen Geschichte, Jesus sei Gottes Lamm. Eine wichtige Spur in Israels Glaubenstradition: Passah-Lamm und Sündenbock.
Das Lamm, das vor dem Scherer verstummt, unschuldig zur Schlachtbank geführt, wie es über den Gottesknecht bei Jesaja heißt.
Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“, sagt der Täufer. Das wundert mich nicht. Er, der Sündenabwäscher im Jordan, der größte Menschenspüler der Geschichte, das ist sein Auftrag. Bis zu jenem Tag. In Jesus, dem er begegnet, geht ihm ein Licht auf: Bei diesem Jesus hat diese Sisiphus-Arbeit endlich ein Ende. Ein für alle mal.
Keine Ausreden mehr: Immer sind die andern schuld. Auch keine Selbstrechtfertigungen mehr: Es war wohl die falsche Erziehung, das falsche Müsli zu Hause, die falschen Freunde, das schlechte Umfeld und Wohnmilieu, der ausbeuterische Chef auf Arbeit, die fehlenden Sozialarbeiter…
Schuld bleibt Schuld. Und Jesus trägt sie weg. Das Lamm Gottes für die Welt. Mit diesem Namen für Jesus kann Johannes getrost seine Arbeit beenden, und auch getrost sterben. Er weiß ja, in wessen bergende Arme er fällt.
„Lamm Gottes“, wie klingt das in unsern Zeiten?
Lamm Gottes … für alle andern Schafe, die Gott heimführen will.  Die dummen und die schwarzen Schafe. Auch da wäre Platz für mich. Wenn ich mich denn entscheide, bei diesem Hirten „Schaf“ zu sein…
Sprechen Sie darauf Ihr Amen?   Wenn ja, dann: Amen. 

Predigtlied: EG 403 „Schönster Herr Jesus“

 

 

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