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Predigt zu Johannes 15, 1-8 zum Sonntag Jubilate, 3.5.2020
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Predigt zu Johannes 15, 1-8 zum Sonntag Jubilate, 3.5.2020

Predigt vom 03.05.20 (Pfarrer Frank Bohne) Ort: Martin-Luther-Kirche

Hier können Sie das Glockenläuten der Martin-Luther-Kirche hören.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Christus spricht: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen.
Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.

Liebe Gemeinde!

Abhängigkeit. Zugehörigkeit. Wissen wo man hingehört. Das ist für mich der Sinn vom Predigtwort zum 3. Sonntag in der Osterzeit. Jubilate - „Jauchzt vor Freude!“ heißt er.
Nur ist den meisten von uns grade nicht nach Jubeln zumute. Viele sitzen zu Hause, üben sich in Distanz. Ältere Gemeindeglieder haben die eigenen vier Wände kaum verlassen. Kein Besuch von Kindern, Enkeln, Bekannten. Pflegebedürftige im Heim können nicht mal Ehepartner oder Kinder sehen. Eine Situation, die einem das Herz zerreißt...
Auch Gottesdienst ist rar geworden.
Bleibt in mir und ich in euch. Der Satz von Jesus hört sich schwer.
Abhängigkeit. Zugehörigkeit. Und wissen wo man hingehört.
Derzeit sagt uns der Staat, wo wir hingehören: vor allem nach Hause. Ausnahme sind Arbeit, Einkauf, Spaziergang im Freien.
Moderne Gesellschaften sind in höchstem Maße abhängig, manchmal von ganz profanen Dingen: dem Nachschub an Zellstoff-Masken, Nudeln und Klopapier. Uns dämmert, in was für einem Wirtschaftssystem wir leben: Eines, das auf engsten Geld- und Warenaustausch, die Verfügbarkeit von allem zu jeder Zeit angewiesen ist. Eine schlichte Unterbrechung der Abläufe für 2-3 Monate genügt, um eine Situation zu haben, die von „Experten“ als die „schwerste Krise seit dem Krieg“ bezeichnet wird.
Gilt das auch für Kirche und Gemeinde? In welchem Maße? Oder ist das alles nochmal ganz anders zu bewerten? Die Abhängigkeit, die Zugehörigkeit, das Wissen wo man hingehört?
Christus spricht, ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner...
Vor einigen Tagen sah ich im Fernsehen einen Bericht über einen Weinbauern, wie der von der Corona-Krise betroffen ist. Viele Arbeiten erledigt er selbst. Doch die Restaurants, die seinen ausgezeichneten Wein ausschänken, sind geschlossen. Er macht sich große Sorgen: Sein Weingarten liegt an den Hängen der Mosel. Steillage. Nicht Maschinen, sondern Handarbeit ist nötig. Bei ihm wie zu Zeiten Jesu vor 2000 Jahren.
Im Frühjahr stehen wichtige Arbeiten an: den Boden lockern, verdorrte, unfruchtbare Reben an den Weinstöcken entfernen, damit die guten Reben wachsen und gedeihen. Das schafft er nicht allein mit der Familie. Sonst kamen geübte Helfer aus dem Ausland. Ihre Arbeit ist nötig, damit der Weingarten auch in diesem Jahr viel Früchte trägt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Jesus hält die Rede vom Weinstock vor seinen Jüngern. Und die gaben sie weiter an die christliche Gemeinde. Weinberg, Weinstock, Wein… sind den Leuten vertraut. Die Kultur ums Mittelmeer ist eine Weinkultur. Auch in Israel. Anbau und Ernte geben dem Land den Rhythmus vor. Wein schafft Arbeit für tausende Tagelöhner, die mit ihren Familien von ihm leben.
Menschen brauchen Wein in der Küche. Wasser wird mit Wein genießbar gemacht. Wein findet sich in jeder Haus-Apotheke. Wein-Genuss in Gemeinschaft ist Ausdruck von Freude, Glück und Heil. Das Laubhüttenfest zur Weinlese ist das drittwichtigste jüdische Fest. Als „Germanen mit Bierkultur“ müssen wir uns das klarmachen, um den Abschnitt zu verstehen.
Zu guter Letzt kennt das jüdische Volk Wein als wichtiges Bild aus der Bibel des alten Testaments. Gott gräbt sich in Ägypten einen Weinstock aus und pflanzt ihn in der Freiheit, im verheißenen Lande ein, heißt es in Psalm 80.
Das Gottesvolk soll sich als Weinstock verstehen. Gott selbst ist der Winzer, der den Boden bereitet, die schützende Mauer um ihn baut, ihn umsorgt, für ihn hofft  und auf gute Früchte setzt.
Die Propheten sprechen das Gottesvolk immer wieder auf diese Verheißung an: Wie haltet ihr's mit dem Fruchtbringen für Gott? Gilt noch seine Weisung?
Das Weinberg-Lied des Jesaja ist eines der härtesten Worte im Alten Testament: Setzt den Weinberg Gottes nicht auf's Spiel!, rät Jesaja seinen Zeitgenossen.
Spätestens da wird deutlich: 'Weinstock sein' ist nicht nur ein Bild für Freude. Es ist auch Auftrag. Es ist Maßstab, wo ich hingehöre. Weinstock zu sein hat auch mit Gehorsam zu tun. Ich soll Früchte bringen, auf die Gott voll Sehnsucht wartet.
Abhängigkeit, Zugehörigkeit. Wissen wo man hingehört. Das Volk Israel kannte den großen goldenen Weinstock an der Fassade des Allerheiligsten im Tempel von Jerusalem. Flavius Josephus beschreibt ihn in seinen Schriften im 1. Jahrhundert.
Auch die Münzen der Makkabäerzeit trugen über viele Jahrzehnte das Symbol des Weinstocks. All das dient der Erinnerung: Wir hängen an unserm Gott und Herrn. Gehören IHM, zu seinem Volk.
Vor diesem Hintergrund will ich den Abschnitt aus dem Johannesevangelium verstehen. Dass Jesus vom Weinstock redet, klingt vertraut. Die Seinen kennen das Bild. Auch die frühe Gemeinde, die zum Großteil aus dem Volk der Juden kommt.
Neu und anders wird es aber zur Zeit des Evangelisten Johannes. Da beginnen sich vertraute Bilder aufzulösen. Der Tempel in Jerusalem wird zerstört. Das bekannte Weinstock-Bild an der Fassade gibt es nicht mehr. Die Münzen aus gesegneten Zeiten sind eingeschmolzen. Nun tragen sie die Bilder heidnisch-römischer Götter.
Sollte der Prophet Jesaja Recht behalten haben? Hat Gott seinem geliebten Israel den Weinberg weggenommen? Ist das Gottesvolk verworfen, und Gott hat sich woanders eine ganz andere Rebsorte gewählt?
Das Bild vom Weinstock ist nicht nur eingängig. Manchmal ist es auch gefährlich: Genau dann, wenn es so interpretiert wird, dass andere zu vertrockneten Reben erklärt, abgeschnitten und verworfen werden. Auch solche Tendenzen gab es in der Kirche der ersten Jahrhunderte, die sich als Antijudaismus dann auf schlimme Weise bis in die braune Zeit gezogen haben.
Doch zurück zu Johannes: Christus spricht, ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater der Weingärtner. So viel steht da. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Der Weinstock Christus steht im Berg des Herrn. Jesus aus Nazareth ist fest verwurzelt im Gottesvolk, geboren von einer jüdischen Frau und unter das Gesetz getan (Röm.1). Vom Vater - dem Gott Israels - gesandt, um zu rufen was verloren ist. Sogar die, an die bisher keiner dachte. Die nicht mal zum jüdischen Volk gehören: uns. Der Rabbi Jesus geht im Gehorsam zum Vater seinen Weg bis ans Ende und gibt sich hin für viele. Sogar für Heiden. Auch wieder: uns.
Der Rebstock kennt den Weingärtner. ER ist mit IHM auf Du und DU. Er und der Vater sind eins.
Das Neue, das Wein-Bild Sprengende ist, dass nun auch die, die an ihm hängen, dazugehören sollen. WIR.
Nun haben auch wir einen Platz im Weinberg Gottes. Nicht als „eigene Stöckchen“. Sondern über IHN. Weil wir an ihm dranhängen. Er, der Christus, hat uns aus Liebe hervorgebracht.
Nun sind wir, die am Rebstock hängen, zugleich auch im Reinen mit dem Winzer. Gott der Vater hat uns lieb, so wie er keines seiner Kinder je vergisst. Und auch wir sollen Frucht bringen.
Dabei müssen wir nicht ängstlich, ärgerlich oder gar verachtend auf jene blicken, die schon dazugehören. Zu Gottes Volk, zu seiner Pflanzung, die er aus der Knechtschaft gerettet hat.
Der Weinberg Gottes ist für alle groß genug. Für uns jedoch ist Platz bei Christus. Nur bei IHM. In ihm, durch ihn, auf ihn hin dürfen wir leben und gedeihen. Manches wohl auch durchleben und durchleiden, so wie auch er gelitten hat.
Doch Gott, der Vater, ist noch immer derselbe. Voll Hoffnung sehnt er sich danach, dass all seine Geschöpfe zu ihm kommen. Am Tor zum Weinberg wartet er und schließt uns in die Arme.
Frucht bringen, nennt es der Evangelist Johannes. Die Alten und die Jungen. Die von ganz weit draußen, und die im inneren Zirkel, die sich „Kerngemeinde“ nennen, schon damals gab es das, zu Zeiten des Johannes.
Keiner ist bevorzugt, keiner weniger geliebt. Entscheidend bleibt, dass der Vater verherrlicht wird, dass wir viel Frucht bringen und seine Jünger werden.
Man beachte den Gebrauch des Verbes „werden“. Jünger werden!
Jünger oder Jüngerin sein, das liegt anscheinend noch nicht hinter uns. Wenn, dann liegt es vor uns. Selbst dann, wenn wir getauft, konfirmiert und dreimal durchgesegnet sind.  Sich als Jünger zu erweisen - zeigen, dass du und ich in Jesu Liebe stehen - darin nicht müde werden, sie bewähren - das geschieht jeden Tag neu.
Damit wirst du auch nicht fertig. Und das ist gut so. Denn es ist zugleich entlastend, dass du und ich nicht auf die Mängel von gestern und vorgestern, auf die Felder unseres Versagens festgelegt bleiben. Wenn wir bleiben, dann in IHM. Am Weinstock Christus ist Platz, sich zu entwickeln.
Verstörend bleibt für mich dann nur die Zeile zum Gebet: Wenn wir in ihm bleiben, und seine Worte in uns, sollen wir bitten können, was wir wollen, es soll uns widerfahren... (Vers 7)
Wie soll das Bitten aussehen in Zeiten von Corona? Es muss sich messen lassen an Christus, dem Weinstock, an dem wir hängen. Christus-gemäßes Bitten soll erfüllt werden. Nicht unbedingt unsere Wünsche und Bedürfnisse, so konstuktiv und ehrenwert sie auch sind.
Frucht zu bringen, dem soll unser Bitten gelten. Die wichtigste Frucht im Johannes-Evangelium ist das Bleiben in der Liebe. Dazu ruft Christus immer wieder. Dass solche Liebe unter uns wächst, der Zusammenhalt als Gemeinde gestärkt, das Achten auf die Schwachen eingeübt wird, dem soll unser Beten dienen.
Das hat mit Corona zunächst gar nichts zu tun. Oder der Wirtschaft, unseren Einschränkungen, den enttäuschten Reisezielen, manch geplantem Familenfest…
Ganz sehr zu tun hat es aber mit unseren Geschwistern, gerade jetzt, weil wir einander nicht sehen und begegnen dürfen. Für sie unser Herz ganz weit zu machen, damit auch sie erfahren, an wem sie hängen, zu wem sie gehören, wo sie hingehören. Das bleibt der Inhalt für unser Gebet, für unser Seufzen, manchmal auch für unser Schweigen.

Amen.

 

 

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Pfarrer Frank Bohne
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