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Predigt für Karfreitag zu 2. Korinther 5, 14-21
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Predigt für Karfreitag zu 2. Korinther 5, 14-21

Predigt vom 10.04.20 (Pfarrer Frank Bohne) Ort: Martin-Luther-Kirche

Hier können Sie das Glockenläuten der Martin-Luther-Kirche hören.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Das Predigt-Wort für Karfreitag ist die Epistel-Lesung. Sie steht im 2. Brief des Paulus an die Korinther im 5. Kapitel (Übersetzung nach Ulrich Wilckens):

Einer ist für alle gestorben – also sind alle gestorben. Er ist ja dazu für alle gestorben, dass sie in ihrem Leben nicht mehr für sich selbst leben, sondern für den, der für sie gestorben und auferweckt ist. Darum kennen wir von jetzt an niemanden mehr so, wie er als Mensch für sich selbst ist. Selbst wenn wir Christus in seinem irdischen Leben gekannt hätten, kennen wir ihn jetzt so nicht mehr. Darum: Wenn jemand in Christus ist, so ist er eine Neuschöpfung; das Alte ist vergangen – siehe, Neues ist geworden. Dies alles aber ist von Gott her geschehen: Er hat uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst gegeben, die Versöhnung zu predigen. Denn Gott ist es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, den Menschen ihre Übertretungen nicht zurechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufrichtete. So wirken wir als Gesandte an Christi statt; Gott lässt durch uns seinen mahnenden Ruf ergehen. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Den, der von Sünde nichts wusste, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir durch ihn Gottes Gerechtigkeit würden.   

Friede sei mit euch von Gott, unserem Vater, und unserm Herrn Jesus Christus!

Liebe Geschwister, liebe Besucher und Besucherinnen unserer Internet-Seite,

Einer für alle, alle für einen!“ – das war der Leitspruch der drei Musketiere: Athos, Porthos, Aramis ... Ich liebte die Verfilmungen nach Alexandre Dumas, die im Frankreich des Sonnenkönigs spielten. Und dann kam der junge D’artagnan noch hinzu! Immer, wenn die Gemeinschaft ein neues, verwegenes Abenteuer zu bestehen hatte, wurden die Degen in der Mitte gekreuzt und sich einander zugerufen: „Einer für alle, alle für einen“! Das ließ alle Gefahr vergessen. Eine Selbstbestätigung und Selbstermutigung! Der Satz der Musketiere wurde unter uns Jugendlichen regelrecht zum Sprichwort: Einer für alle!
Allerdings erinnere ich mich auch an eine Szene bei der Olsen-Bande. Die hatte sich das Versprechen in einem der Filme auch einmal gegeben. Doch in der Olsen-Bande war ja einer meist der Dumme! Nämlich Egon. Der kam am Ende immer in den Knast.
So wandelte die kleine Chaoten- und Ganoven-Truppe den Satz ziemlich ehrlich ein wenig ab und versprach sich vor dem ganz großen Coup einfach: „Einer für alle - und jeder für sich!“
Einer für alle, alle für einen.“
Mit so einem Motto kann man sich gegenseitig stützen. Wenn Kinder sich so ein Versprechen geben, haben sie ihre erste Klicke gegründet und machen dann ihre eigenen Erfahrungen mit Freundschaft und Treue. Meist aber auch mit Enttäuschung und Bitterkeit, die so hoch greifenden Versprechen bald folgt.
Einer für alle.“  So beschreibt der Apostel Paulus der korinthischen Gemeinde das Geschehen von Karfreitag. Es ist eines der kompliziertesten Kapitel des Neuen Testaments.  Zugleich aber auch eines der wichtigsten. Da ist einer für alle gestorben. Es geht also um Leben und Tod. Es geht um Schuld und Vergebung, um Unfrieden und Versöhnung. Es geht um das Verhältnis der Menschen zu Gott, und von Gott zu den Menschen. Dafür hat sich Einer  - für alle - geopfert.
Zu Karfreitag haben wir den Bericht von Jesu Leiden und Sterben mitzudenken. Wer die Passionsgeschichte liest oder hört, vor dem tut sich ein Abgrund auf. In ihr können wir erkennen, wozu wir Menschen fähig sind. Wir Menschen – sage ich ganz bewusst: Denn es geht in den Evangelien beim Kreuz Jesu nicht in erster Linie um die Juden und die Römer der damaligen Zeit. Es geht um den Menschen an sich. Die Bibel deckt auf, was in der Tiefe unseres Herzens alles schlummert. Welches Maß an Feigheit, an Menschenverachtung und Grausamkeit. Das Maß an kalter Berechnung.
Das Passionsgeschehen ist der Gipfelpunkt der Auflehnung des Menschen gegen Gott. Ein Tiefpunkt von Haß und Feindschaft gegen den Schöpfer.  Eine Entfremdung von Gott und Mensch, die mit der Auflehnung von Adam und Eva einst im Garten begann. Die Spur verweigerter Liebe und Verantwortung führt dann über den Brudermord Kains bis zur völligen Selbstüberschätzung beim Turmbau bis zur großen Flut.
Wo der Mensch sich selbst, seinen Willen, seine Freiheit, seine eigenen Überzeugungen zum Mittelpunkt aller Dinge macht, da bleibt das Verhältnis zu Gott auf der Strecke. Und wo Gott keine praktische Rolle im Leben mehr spielt, da wird früher oder später auch der Mitmensch zum Spielball meiner eigenen Interessen. Wie könnte es auch anders sein, wenn ich doch selbst der Mittelpunkt des Universums bin, um den sich alles drehen muss! Da bleibt kein Platz mehr für den anderen. Da bin nur ich, mir, meiner, mich… „Fleischlich gesinnt sein“ nennt Paulus diese Eigenart des Menschen. Sich immer um sich selber drehen.
Im Leidensgeschick Jesu wird die Gottesferne der Menschen dann auf die Spitze getrieben: Da geht einer unter die Leute und predigt Liebe statt Selbstsucht. Vergebung statt Rache. Setzt auf Verletzlichkeit statt Macht. Bei ihm kommen die Schwachen groß raus. Nicht die Starken. Jene,  die eh' schon genug haben. Und dann sagt er auch noch, dass dieses Prinzip von Gott selber kommt. In Jesus, dem Christus, kommt Gott unter die Leute und fängt an, die Menschen so zu verändern, wie ER sie entworfen hat. Und Gott verschweigt auch nicht, was der eigentliche, tiefere Grund der überall geschehenden Verfehlungen ist: die Feindschaft und Auflehnung gegen IHN.
Da ist es doch nur verständlich, wenn dieser EINE, wenn Christus stört. Er ist Sand im Getriebe der Welt, deshalb muss er weg. Die biblische Botschaft erzählt: Dieser Mensch Jesus, solange er auf Erden lebte, war ohne Sünde. Uns muss das unheimlich vorkommen: Sollte es wirklich einen geben, der nie auch nur einen Fehler macht? Auch Paulus behauptet in unserem Abschnitt: Er, der Christus, wusste von Sünde nichts.
Jesu Zeitgenossen haben das wohl ganz anders gesehen: Sie fanden genügend Gebote, gegen die Jesus verstoßen hatte. Zum Beispiel das Sabbatgebot: Jesus verweigerte schlichtweg das religiös bemäntelte Nichtstun, das Wegschauen, auf das die Mehrheit geeicht war. Und beim Götzen-Verbot, da verweigerte er dem Gott der Macht, dem Gott der Vergeltung mitsamt seinem Tempel den nötigen Respekt. Aus diesen vermeintlichen Sünden hat man ihm schließlich „den Strick gedreht“ und auf‘ s Kreuz gelegt.
Doch vielleicht hatten die Leute damals, vielleicht haben ja auch wir noch immer ein verschrobenes Verständnis davon, was letztlich Sünde ist.  Sünde ist kein Regelverstoß, keine Ordnungswidrigkeit, die geahndet werden muss. Das Alte Testament ist auch nicht die Straßenverkehrsordnung von vor 2000 Jahren. „Sünde“ sind nicht die Fehler, die wir machen, wenn wir uns unkorrekt verhalten. Sünde ist auch nicht, worauf ich mit dem Finger zeigen kann.   (am liebsten auf andere…)
Es ist wie beim alten irischen Sprichwort, das sagt: Beauty goes to the skin, ugly goes to the bone. (Schönheit geht bis auf die Haut. Hässlichkeit geht bis auf die Knochen.)
So ist es mit der Sünde. Sie sitzt tiefer: Sie ist die Ursache, woher das alles kommt. Der Nährboden, in dem das Böse wurzelt. Die Selbstbehauptung des Menschen, seine Abkehr von Gott. Seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Schöpfer und Herrn dieser Welt. Von solcher Sünde kann man/ frau sich auch nicht ohne weiteres losmachen und befreien. Nur Gott kann das tun. Den „garstigen Graben“, um es mit Lessing zu sagen, den wir Menschen aufgerissen haben, zuschütten und neu anfangen mit uns.
In Christus hat Gott den Neuanfang mit uns gemacht. Das meint das Wort des Paulus von der Versöhnung. Gott ist es, der in Christus die Welt mit sich selbst versöhnt hat, den Menschen ihre Übertretungen nicht zurechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufrichtete.“ Gott opfert den einzig Sündlosen, seinen Sohn. Er wird zum Opfer gemacht. Zu unserem Opfer.
Lieber lässt der Vater allen Hass, die Gewalt, zu der wir fähig sind, an sich selber austoben, am Sohn sich totlaufen, als dazwischen zu gehen und die Menschen abzustrafen. Damit unser aus den Fugen geratenes Leben endlich heil werden.
Einen „seligen Tausch, einen fröhlichen Wechsel“ hat Luther dieses Geschehen genannt. Es ist Gott, der sich wie ein tölpelhafter Kaufmann von uns das Schlechte andrehen lässt, damit wir glücklich und zufrieden nach Hause kommen. Die Verluste trägt Gott. „Den, der von Sünde nichts wusste, den hat er für uns zur Sünde gemacht. Damit wir durch ihn Gottes Gerechtigkeit würden.“
„Versöhnung“ schreibt der Apostel in unserem Predigtwort. Das griechische Wort, das wir mit Versöhnung übersetzen, bedeutet eigentlich: „gänzlich austauschen, total verändern.“ Und die Vorsilbe dieses Wortes (kata = „herab“) zeigt an, dass dies ein Vorgang ist, der „von oben nach unten“ geschieht. Von Gott aus zu uns Menschen. Nicht wir Menschen versöhnen Gott, indem wir auf unsere vermeintlichen Guttaten oder Spenden verweisen, oder uns den einen oder anderen Verzicht abverlangen. Gott versöhnt uns. Da können wir den Begriff „Ver-Söhnen“ tatsächlich beim Wort nehmen: Wer ver – söhnt ist, wird wieder „Sohn“. Und Tocher natürlich auch! Aus widerspenstigen Fremden werden wieder Söhne und Töchter. Gottes geliebte Kinder.
Das tut Gott in Christus. Und seither gilt: „Einer für alle.“ Wir werden frei gesprochen. Und Gottes Freispruch gilt.
So ein Freispruch hat dann natürlich Folgen. Paulus verschweigt auch das nicht. Wer das Wort von der Versöhnung hört und annimmt, wird zugleich in die Pflicht genommen:
So sind wir nun Gesandte an Christi Statt. Denn Gott ermahnt durch uns. Und so wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!
Paulus weiß, wovon er redet: Er war ein Verfolger der christlichen Gemeinde. Nun wurde aus ihm der fleißigste Botschafter. Überall, wohin er kam, hat er das Wort vom Kreuz als Wort der Versöhnung aufgerichtet und zu dieser Versöhnung eingeladen. Eingeladen, nie eingetrichtert oder überredet. Denn Paulus hat erfahren: Jeder, der dieses Versöhnungswort mit einem offenen Herzen aufnimmt, der und die wird zum gleichen Botschafter-Dienst berufen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit werden du und ich dann zwar immer noch viele Gebote in unserem Leben übertreten. Manches Vergehen wird mir dabei leid tun. Ich werde mich  entschuldigen und mir auch Mühe geben, mich zu bessern. Manches Vergehen werden du und ich auch gar nicht bemerken. Wir werden darüber hinweg leben. Wir werden auch in guter Absicht manches Falsche tun und auch dadurch schuldig werden an unseren Mitmenschen.
Aber seit Karfreitag haben wir einen großen Vorteil: Du und ich, wir dürfen wissen: Ich bin mit Gott versöhnt. Das ist das Angebot des Kreuzes. Und Gott legt auch gleich noch die Kraft dazu, mich zu bessern: seinen guten, ermutigenden Geist. Karfreitag ist ein Tag, sich mit beidem beschenken zu lassen: Der Versöhnung – und dazu der Kraft, die aus ihr entspringt.
Wenn Gott mich schon so ansieht, wie er mich gemeint hat, was wird er dann noch alles aus mir machen können! Dann soll und kann ich das auch bei meinen Mitmenschen tun: Sie ansehen als Geschwister, die Gott geschaffen und berufen hat, genau so wie mich. Ich muss die anderen nicht mehr nach Äußerlichkeiten einsortieren, sie auf ihre Fehler behaften. Ich kann Schritte der Versöhnung in ihre Richtung gehen, auf sie zu!
Einer für alle, und alle für einen.“ Das Motto der drei Musketiere entfaltet nun einen völlig neuen Sinn: Da ist einer, der tatsächlich für alle in den Tod gegangen ist. Auch für dich und mich. Wir müssen uns nicht selber frei fechten, wie die Musketiere und der tapfre D’artagnan. Wir können uns IHM einfach anvertrauen und versöhntes Leben wagen.
Alle für einen, nicht mehr jeder für sich.“ Wenn mich dieser EINE frei macht und versöhnt, dann wird tatsächlich alles andere neu. Auch der Mitmensch, der mir nun zum Bruder und zur Schwester wird. Ich brauche auch nicht mehr hinter der Ecke zu warten wie der feige Benny oder der dicke Kjeld, die am Ende doch nur wieder an sich selber denken. Jeder für sich.
Ich bin befreit, ihm zu folgen und anzufangen mit dem neuen Leben. Kann die Versöhnung ausprobieren und unter die Leute bringen. 

Amen.

Predigtlied: EG 94 „Das Kreuz ist aufgerichtet“

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Pfarrer Frank Bohne
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