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Predigt zum Sonntag Misericordias Domini,  Predigttext: 1. Petrusbrief 2,21b-25
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Predigt zum Sonntag Misericordias Domini, Predigttext: 1. Petrusbrief 2,21b-25

Predigt vom 26.04.20 (Pfarrerin Kathrin Bickhardt- Schulz) Ort: Martin-Luther-Kirche

Hier können Sie das Glockenläuten der Martin-Luther-Kirche hören.

Predigttext: 1. Petrusbrief 2,21b-25

Der heutige Predigttext fordert uns, unsere Lebensführung, unsere Orientierung, unsere Lebensperspektive heraus: Weil auch Christus für euch litt, euch hinterließ er das Vorbild, damit ihr seinen Spuren folgt, so heißt es. 
Christus als Vorbild in diesen Tagen? Den Leidenden zum guten Beispiel machen? Dem Gekreuzigten nacheifern? Und aufrufen soll ich: „Folgt seinen Spuren! Auf, ihm nach! Werdet wie er!“ Der leidende, geschundene, sterbende Mann am Kreuz – als Vorbild? Da entstehen vor meinen Augen Bilder von Menschen, die durch die Pandemie in diesen Tagen in der ganzen Welt  gestorben sind - auf Intensivstationen oft ohne die Begleitung durch die Familie. Ich denke an Familien, die aufgrund der Pandemie bis auf das Äußerste gefordert sind durch die Belastung von Kinderbetreuung und Arbeit im Homeoffice. Ich denke an Alleinlebende, denen es an Gesprächsmöglichkeiten fehlt. Sie fühlen sich einsam. Ich denke an alle verantwortlichen Virologen, die das Geschehen täglich neu beurteilen müssen und an die Politiker, die verantwortliche Entscheidungen mit weitreichenden Folgen für alle treffen müssen. Ich denke an die Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeitsgrundlage und Einkommen entzogen sind. Ist Ihnen und uns Christus und sein Leiden am Kreuz jetzt ein Vorbild?
Oder suchen wir uns  lieber andere Vorbilder: Mir fallen strahlende Idole ein: Ich könnte über Elvis reden, den gefeierten Popsänger, über seine Hits, seine Filme, seine größten Erfolge, seine Millionen. So möchten doch mancher von uns sein: umjubelt wie er, im Mittelpunkt des Interesses, beliebt bei Alt und Jung. Sogar von dem Filmwandhelden James Bond, dem Agenten, könnte ich reden, der in jeder Situation einen kühlen Kopf behält. Klug, stark, charmant meistert er das Leben und jedes Abenteuer. Möchten manche doch so  sein: gut aussehend, intelligent, durchtrainiert, dann ist das Leben ein Kinderspiel. Aber ich soll über einen Ohnmächtigen reden, einen Misshandelten, einen Gequälten, einen, den sie als Verbrecher ans Kreuz genagelt haben. Und das in einer Gesellschaft, die Leid und Tod an den Rand drängt, wo jede und jeder schön und gesund, erfolgreich und mächtig sein soll.
Das scheinbar wunderbare Leben von Elvis endete mit einem frühen Herztod des Künstlers, der seinen Körper mit Süßigkeiten, Alkohol und andere Drogen schädigte, um seine innere Leere zu füllen. Und der Filmwandheld ist ohne die Tricks und  Schnitte, also in der Realität, auch nur ein normaler Mensch. Von dem charmanten und überlegenen Helden bleibt nur ein Schauspieler, der eine Rolle einstudiert, ein Drehbuch umsetzt. Alles nur Illusion. Es scheitern Wunschbilder und Illusionen an der Wirklichkeit. Wenn ich hinter die Fassade schaue, wenn ich die Vorbilder privat sehe, wenn ich hinter die Reklametafeln mit den perfekten Menschen schaue, dann zerplatzen die falschen Hoffnungen auf ein umjubeltes, mächtiges, freies Leben wie Seifenblasen - schillernd und doch zerbrechlich.
Jesus dagegen ist ein Vorbild ohne Täuschung, ohne Enttäuschung, ohne Illusion: Dieser Mann am Kreuz zeigt uns die Welt, wie sie ist – voller Leidenschaft und Begeisterung, aber auch ungerecht und voller Leid. Jesu Leben bietet uns einen Blick auf die Realität: in Armut geboren, auf der Flucht vor einem despotischen Herrscher, Freund der Armen und Rechtlosen, Tischgenosse der Menschen, die niemand beachtete, ein Mann auf Wanderschaft ohne Haus, ohne Habe, ohne einflussreiches Amt. Ein Mann, der begeistert gefeiert wurde und seine Zeit mit seinen Freunden verbrachte. Der viel Schönes und viel Leid erlebte. Es ist ein ehrliches Leben, was uns Jesus bietet – ohne Verschönerungen, ohne Illusion.
Ich merke: Dieser Jesus am Kreuz, der passt zu all den Bildern, die wir in unserem Kopf haben, die uns nicht loslassen, die uns Tag für Tag aufs Neue bestürmen. Da ist nichts mehr  schön. Vielmehr ist alles durchschnittlich, von beharrlicher Alltäglichkeit, Bilder ohne Glanz und Höhepunkte: Menschen, die vor den Tafeln um Essen anstehen, Unternehmer, die um ihre Existenz bangen. Und wie ein Aufschrei, die Bilder der anderen Katastrophen unserer Zeit: Bilder von überfüllten Flüchtlingsbooten und geschlossenen Häfen. Bilder von abgemagerten Eisbären, die vergeblich in ihren alten Revieren auf der Suche nach Nahrung sind. Die hoffnungslos traurigen Gesichtszüge einer Witwe im Jemen, einem Krieg, der weitgehend unbemerkt von uns stattfindet wie so viele Auseinandersetzungen. Keine Vorbilder, aber Bilder! Eben welche, die nicht täuschen oder mir etwas vormachen, was nicht so ist. Der Gekreuzigte passt da hinein, in diese Bilder, in diese Welt, in unseren Alltag.
Doch unter uns, bei dieser Flut der Bilder und der Menge des Elends, des Leidens, der Schrecken, die uns täglich medial in den Zeitungen und Nachrichten und alltäglich bei Einkäufen und Spaziergängen vor Augen geführt wird, bei dieser Menge von Bildern, die sich in meinem Kopf festsetzen und deren Elend mir zu Herzen geht: Ist es da ein Wunder, dass wir nach Trost und Hoffnung suchen, uns danach sehnen?
Wir Christenmenschen sind mit dem Vorbild konfrontiert, das uns keine Flucht, keine Illusion, keinen Traum ermöglicht: In dem Leidenden, dem Ohnmächtigen, dem Gekreuzigten muss ich mich der Welt und ihren Bildern stellen. Und nicht nur das: Ich muss es zulassen, dass diese Bilder mich berühren, mich betroffen und traurig machen. Denn so ist das Leben: Neben all dem Schönen und Freudigen gibt es die Seite des Lebens, die hässlich, traurig und furchtbar ist.
Liebe Gemeinde,  dieser Mann am Kreuz gibt uns nicht nur mit seinem Leben, sondern auch mit seinem Sterben Trost und Hoffnung: Denn Jesus starb für uns. Ein Satz, der schwierig zu hören ist. Er starb für uns – zu unserer Erlösung, damit wir ein freies Leben führen können. Der Briefschreiber formuliert es so: Durch Jesu Striemen werden wir geheilt.“ ( 1. Petr. 2,24 ), durch seine Wunden werden wir heil. Durch Jesu Tod am Kreuz schenkt uns Jesus, schenkt uns Gott, Leben, das immer wieder neu beginnt.  Durch seinen Tod am Kreuz für uns, schenkt Jesus uns Heil.  Jesus schenkt uns immer wieder einen neuen Anfang und Freiheit von den Belastungen der Gegenwart.
Noch etwas ist mir an dem Vorbild des Leidenden wichtig: Jesus bleibt nicht im Leid. Das Leiden wird nicht zu einem Selbstzweck. Das Leid ist nicht der Schlusspunkt. Aus dem Leid, dem Tod und der Trauer entsteht neues Leben und neue Hoffnung. Jesus bleibt nicht im Tod gefangen. Er ist auferstanden. Auf Karfreitag folgt immer wieder der Ostermorgen. Hier wird deutlich: Leiden gehört zum Leben. Und in allem, dem Leiden und dem Schweren, ist Gott an unserer Seite. Gott behütet uns wie ein Schäfer seine Herde. Leiden gehört zum Leben. Aber es ist nicht Sinn und Ziel des Lebens. Gott möchte ein gutes, frohes Leben voller Heil für uns. Nur leider funktioniert das nicht immer. Das wissen Sie und ich. Leiden gehört zum Leben. Gott möchte, dass wir nicht im Leiden bleiben, sondern es überwinden, neue Hoffnung und neu auferstehen – immer wieder. Jeden Tag neu auf(er)stehen. Die Hoffnung auf ein gutes Leben nach Corona kann uns immer wieder Kraft geben, das Schlimme und das Leid auszuhalten, zu überstehen, wissend, dass Gott an unserer Seite ist und wir von ihm begleitet sind. Wie ein Schäfer seine Herde beschützt, so ist Gott für uns da an jedem Tag unseres Lebens.
Diese Träume von einem unbelasteten und guten Leben sind keine schillernden Seifenblasen, die zerplatzen, sobald sie mit dem harten Boden der Realität konfrontiert werden. Sie sind tragende Hoffnungen, gegründet in dieser Welt, basierend auf einem, der das Leben kannte und mit seinem Tod den Beweis brachte. Gott will für uns kein Leben im Leid. Das zeigt uns jemand, der das Leben kennt: Jesus, der für uns am Kreuz für unsere Sünden starb und wieder auferstand. Durch Jesus werden Hoffnung und Heil lebendig und Realität.
Denn mit Jesus verändert sich unser Blick auf die Wirklichkeit. Wir werden  Tag für Tag seinen Fußstapfen folgen. Die neue Realität in Christo besteht auch vor den Bildern der Nachrichten. Bei einem solchen Vorbild brauchen wir uns nicht in Illusionen zu flüchten. Denn Gott begleitet uns durch das Auf und Ab jedes neuen Tages. Kontinuierlich und sicher wie ein Schäfer seine Herde. Jesus als Vorbild, liebe Schwestern und Brüder, ein besseres Vorbild könnten wir nicht haben. Denn es hält die Realität aus und bietet uns Orientierung, Hoffnung und vor allem Trost in  dieser schweren Zeit.

Amen.

Es grüßt Sie und Ihre Familien

Ihre Pfarrerin Kathrin Bickhardt-Schulz

 

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Pfarrerin Bickhardt-Schulz
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