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Predigt am 3. Sonntag nach Trinitatis zu Micha 7,18-20
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Predigt am 3. Sonntag nach Trinitatis zu Micha 7,18-20

Predigt vom 28.06.20 (Vikarin Daniela Hagemeyer) Ort: Martin-Luther-Kirche

Die Glocken der Martin-Luther-Kirche laden Sie ein zum Gebet

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

18 Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade! 19 Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. 20 Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast.                                 (Mi 7,18-20)

Liebe Gemeinde,

haben Sie schon einmal von dem berühmten Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi gehört? Ursprünglich hieß er mit Nachnamen Fischer und wurde 1951 in Höxter in Nordreinwestfahlen geboren. Sein Vater war Kirchenmaler und Restaurateur, seine Mutter Lehrerin. Beltracchis Verurteilung liegt nun bereits zehn Jahre zurück. Seine Gefängnisstrafe von sechs Jahren hat er verbüßt. Inzwischen ist Beltracchi nicht nur als Krimineller sondern auch als Künstler bekannt geworden. Über ihn wurden Bücher und Filme veröffentlicht. Eines seiner Werke kostet etwa 50.000€. Der Maler ist ein Mensch, an dem sich die Geister scheiden.
Beltracchis Karriere als Kunstfälscher begann mit einer cleveren Idee und einer großen Portion Skrupellosigkeit. Anstatt berühmte Bilder zu kopieren, erschuf Beltracchi neue Werke, die es hätte geben können. Er setzte sich mit seinen großen Vorbildern auseinander und studierte die Techniken und persönlichen Geschichten großer Maler. Auf dieser Grundlage entwarf er eigene Gemälde. Die Menschen waren erstaunt über die „neuen“ Bilder von Max Ernst, Max Pechstein und Heinrich Campendonk. Auf dem internationalen Kunstmarkt erzielte Beltracchi mit ihnen Millionen. Die Familie, seine Frau und die Kinder, wurden reich.
Der Künstler nennt seine Bilder nicht Fälschungen sondern „Ergänzungen“ der Lebenswerke großer Meister.
Schließlich unterlief dem Genie dann doch  ein Fehler. Auf einem seiner Bilder wurde die Farbe Titanweiß entdeckt. Eine Farbe, die es damals als das Werk hätte entstehen könnnen, noch nicht gab. Der Betrug flog auf. Beltracchi und seine Ehefrau, die ihm beim Verkauf der Bilder geholfen hatte, wurden in ihrem eigenen Haus verhaftet und anschließend zu sechs und vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Dem Angeklagten wurde ein Duzend von über 300 Fälschungen nachgewiesen. Viele seiner Bilder tauchten bisher nicht wieder auf.
Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade!
Micha ist ein Prophet voller Leidenschaft. Das gesamte Buch Micha wirkt wie eine Anklageschrift. Der Prophet kündigt an: „Jerusalem wird zu Steinhaufen werden und der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden Gestrüpps.“ Angeklagt wird die Jerusalemer Obrigkeit, die für die soziale Schieflage und die Verarmung der kleinen Bauern verantwortlich war. Durch die Flurbereinigung werden sie enteignet. Sie verlieren ihren Besitz und ihre Lebensgrundlage zugunsten der Machthaber. Die Angeklagten sind die Führenden des Volkes, die sich durch gegenseitige Bestechung und die Ausbeutung der Armen bereichern und somit ein ganzes Volk herunterwirtschaften. Ähnlich schuldunbewusst wie Beltracchi sind Fürst, Richter und Priester, die auf der Anklagebank sitzen. Die Geschädigten sind hier allerdings die einfachen Leute, nicht die reichen Kunstbesitzer. Zeuge des Geschehens ist Gott selbst.
Zugleich ist Gott aber auch Geschädigter, denn die Beziehung zwischen ihm und seinem Volk ist abgerissen. Der Prophet klagt: „Da ist kein Rechtschaffener (mehr) unter den Leuten.“
Noch einmal zurück zu unserem Kunstfälscher: Beltracchi konnte im offenen Vollzug weiter an seinen Bildern malen, die er heute unter eigenem Namen verkauft. In der Fernsehshow bei Markus Lanz 2014 sitzt er zurückgelehnt, den Arm und die Stuhllehne. Die Menschen hören ihm gern zu, wenn er von seinem „perfekten Verbrechen“ erzählt. Sie hören nicht nur zu, sondern klatschen begeistert Beifall. Der Kunstganove mit wallender Künstlermähne weiß um seine Wirkung.
Gott wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.
Wie verhält sich Gott zu Dingen wie Betrug und Bereicherung? Laut Micha reagiert er mit Zorn. Er ist wütend und droht dem Volk Israel Strafen an. Im Buch Exodus heißt es: „ (…) ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied.“
Bei Michas Schlussgebet ist von nachtragendem Verhalten nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Gott wendet eigene Kraft auf um sich seinen Geschöpfen wieder anzunähern. Er tritt mit den Füßen nach der Schuld und wirft die Verfehlungen der Menschheit ins Meer. Dort sinken sie bis auf den Meeresgrund. Wie Blei. Sie lösen sich nicht auf. Sie sind noch existent, doch Gottes Zorn ist abgeebbt.
Ich stelle mir eine Person vor, die im Streit einen Teller voller Wucht gegen die Wand schmeißt, sodass das Porzellan zerplatzt. Die Scherben liegen auf dem Boden. Die Ohren Schrillen von dem Lärm. Danach ist es umso stiller. Der Konflikt steht offen im Raum. Es kommt der Moment, indem ein Gespräch möglich ist. Darauf setzt Micha. Reden. Mit Gott. Das Volk und er.
Wer ist solch ein Gott? (…) der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade.
Das ist der Gott Israels. Das ist auch unser Gott.
Als Herr Lanz Beltracchi im Interview fragte: „Wann hatten Sie zum ersten Mal und wann zum letzten Mal ein schlechtes Gewissen?“, macht er eine Pause. Dann grinst er. Er schaut zur Seite. Das Publikum lacht und applaudiert. Er wisse ja schon, dass man so etwas nicht machen dürfe. Deshalb sei er ja auch im Gefängnis gewesen. Er zwinkerte. Da ist wenig Reue.
Ganz anders ergeht es einem jungen Straftäter im Jugendknast: In einem Seelsorgeseminar habe ich einmal einen Vortrag eines Gefängnispfarrers gehört. Er berichtete von einem Inhaftierten, der im Streit seine Freundin mit einem Messer verletzte. Der junge Täter hielt seine Schuldgefühle kaum aus. Depressionen plagten ihn. Jeden Tag kam der Seelsorger zu Besuch und ehe er ging, nahm er ihm jeden Abend das gleiche Versprechen ab: Lebe bis zum nächsten Morgen. Tu dir nichts an aus Schuldgefühlen.
Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt?
Du wirst dich unser wieder erbarmen!
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen

 

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Vikarin Daniela Hagemeyer
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