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Predigt zu Lukas 16, 19-31, gehalten am 1. Sonntag nach Trinitatis, 14.6.2020
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Predigt zu Lukas 16, 19-31, gehalten am 1. Sonntag nach Trinitatis, 14.6.2020

Predigt vom 14.06.20 (Pfarrer Frank Bohne) Ort: Martin-Luther-Kirche

Hier können Sie das Glockenläuten der Martin-Luther-Kirche hören.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Lasst uns in der Stille beten!
Das Wort für die Predigt ist die Evangeliums-Lesung für den heutigen Sonntag.
Der Herr segne an uns sein Wort!

Liebe Gemeinde!

Was für eine ärgerliche Geschichte an einem so schönen Morgen. Hölle, Feuer und Pein. Ein Reicher und ein Armer. Einer wird gepeinigt. Keine Chance zu entrinnen.  Der zweite nach langem Leid getröstet. Wir sind es gewohnt, das Evangelium als etwas Mildes, Freundliches, Angenehmes zu hören. Doch was uns Lukas da als O-Ton von Jesus erzählt, ist alles andere als angenehm. Die Geschichte macht Angst.
Höre ich aufmerksam ins Lukas-Evangelium hinein, dann entdecke ich allerdings, wie die Geschichte dort sehr wohl in den Zusammenhang und auch in Jesu Botschaft passt. Gerade Lukas beschäftigt sich ausführlich mit der Frage nach dem Besitz, nach Reichtum und Armut. Bei ihm sind es arme Hirten, die zuerst die frohe Botschaft erfahren. Und Maria, Jesu Mutter, preist Gott dafür, daß ER die Hungrigen speist und die Reichen leer ausgehen. So werden von Anfang an Zeichen gesetzt. Gott ist auf Seiten der Armen.
Als Erwachsener liest Jesus dann in der Synagoge von Nazareth aus dem Buch des Propheten Jesaja vom großen Sabbatjahr. „Heute ist das Wort erfüllt“, sagt er den Leuten. Wenn den Armen das Evangelium verkündet wird, dann ist das für Jesus ein Zeichen für das Kommen Gottes.
Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“, heißt es dann wenige Zeilen vor unserem Abschnitt. Fast wie eine Erklärung liest sich dazu die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus.
Eine Geschichte, die die Zuhörer wahrscheinlich schon kannten: Als orientalisches Märchen, das von der ausgleichenden Gerechtigkeit nach dem Tod erzählt. Neu ist allerdings, wie Jesus die Geschichte erzählt: In knappen Zügen beschreibt er die Situation: Da ist ein reicher Mensch. Seltsam nur, dass er namenlos bleibt.
Was kann es bedeuten, wenn der Reiche in der Geschichte keinen Namen hat? Wird er so zu einem von vielen, denen es auch so gut geht und die sich ähnlich verhalten?
Der Reichtum von dem Mann in der Geschichte spiegelt sich in seiner Kleidung und Lebensart: Purpur und Leinen sind die Stoffe der Oberschicht. Er kann sie sich leisten, und alles deutet darauf hin, dass er ein genussvolles Leben führt.
Bei Tisch gibt's so viel, dass manches übrig bleibt und runterfällt. An seiner Tafel wird Brot verwendet, an dem man sich die Hände wischt und es danach beiseite wirft. Er bewohnt ein großes Haus, in dem es Hunde gibt. Wachhunde vielleicht, die schützen sollen, was er hat.
Auch ein Armer hat sich bei dem Grundstück eingerichtet, an der Toreinfahrt. Er ist ein Bild des Jammers, über und über mit Geschwüren bedeckt. Und er hat solchen Hunger, dass er mit dem zufrieden wäre, was da als Abfall von des Reichen Tafel fällt. Doch er wird übersehen. Außer von den Hunden. Die beißen ihn nicht und bellen ihn auch nicht an, sondern lecken ihm die Wunden. Auf den Hund gekommen ist er, im buchstäblichen Sinne: Und fast scheint es, die Hunde haben mehr Mitleid mit ihm als die Leute, die vorübergehen.
Dieser arme Mann aber hat nun einen Namen, und auch das ist auffällig. Er heißt Lazarus. Sonst bleibt Armut meist namenlos: Die Arbeitslosen, von denen es wohl bald auh bei uns wieder mehr geben wird, die Hartz 4 - Empfänger, die Obdachlosen, Straßenkinder und Flüchtlinge -- sie begegnen uns meist in anonymen Bezeichnungen. Als Zahlen und Statistiken. Es scheint, dass sie nur in solchen Sammelbegriffen auftreten. Und dann kann man kaum etwas für sie tun oder bewirken.
In der Geschichte bei Jesus aber hat der Arme ein Gesicht. Er hat Namen und Adresse, und tritt so aus der Anonymität heraus. Ein Einzelschicksal: Er liegt an jenem Tor und will nicht viel. Nur das Nötigste zum Überleben.
Die Geschichte bleibt ungemütlich: Für mich ist nicht recht klar, mit welcher Person ich mich letztlich identifizieren soll. Etwa mit dem reichen Mann? Mit den fünf Brüdern, die noch zu Hause sind und wohl ganz ähnlich leben? Oder mit Lazarus? Für ihn nimmt es ein gutes Ende. Denn als er stirbt, wird er von Engeln in Abrahams Schoß getragen. Ein Ort der Zuflucht und Geborgenheit, wer möchte da nicht hin?! Lazarus sitzt sicher und gut und wird getröstet.
Für alle, die zu Lebzeiten Schlimmes erfahren, ist das ein sehr tröstliches Bild: Der parteiliche Gott – ER steht auf der Seite der Schwachen. Sein Himmel – der Ort einer ausgleichenden Gerechtigkeit.
Aber so ein Bild ist unangenehm für alle, denen es gut geht. Ist das denn etwas Schlechtes? Wenn' s mir gut geht, kann das doch auch ein Ausdruck von Gottes Segen sein! So jedenfalls verstehe ich die Segensbilder des Alten Testaments. Gott schenkt Frieden und Wohlsein, auch im materiellen Sinne. Freue dich daran und sei dankbar!
Doch bei Jesus geht die Geschichte für den reichen Mann ungemütlich aus. Auch er stirbt und wird begraben. Er aber findet sich in der Unterwelt wieder und leidet dort qualvolle Schmerzen. Von weitem erkennt er Lazarus - in Abrahams Schoß.
Als Lazarus noch bei seinem Hause lag, da hat er ihn nie angesprochen. Jetzt, wo er selbst im Unglück sitzt, erinnert er sich und kennt sogar den Namen...
Eine merkwürdige Symbolik spiegelt sich in der  Geschichte. Es geht um Wasser und Brot. Das Mindeste, was ein Mensch zum Leben braucht. Der, der zu Lebzeiten kein Brot bekam, der soll dem in der Hitze Wasser geben, ihm die Zunge kühlen.
Doch wie das Eine auf Erden vergessen wurde, so kann das andere jetzt nicht mehr zum Zuge kommen. Abraham erklärt ihm, warum. Der tote Reiche akzeptiert die Erklärung und fängt an, in misslicher Lage an seine fünf Brüder zu denken. Ihr Lebensstil ähnelt wohl in vielem dem seinen. Doch auch der Wunsch, dass Lazarus jene warnen ginge, wird ihm von Abraham verwehrt. Sie haben Mose und die Propheten. Also alles, was sie brauchen, um sich einen Kopf zu machen!

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“.

Wenn das nicht genügt, was könnte ein Toter, der zurückkommt, darüber hinaus noch ausrichten?
Die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus steht dafür, dass das Leben eines jeden Menschen Folgen hat. Dafür steht Gott ein. Aber entwickelt Jesus deshalb schon ein Lehrstück über ausgleichende Gerechtigkeit? Ein Kapitel zuvor beschreibt Jesus Gott als einen gütigen Vater, der seinem verloren geglaubten, wieder heimkehrenden Sohn vergibt. Dann ist Gott wie ein guter Hirte, der auch dem einzelnen verlorenen Schaf noch hinterher geht und es sucht.
Ich denke, Jesus will in der Geschichte noch auf etwas ganz anderes hinaus: Ja - die Unterwelt ist ein Ort der Gottesferne. Aber lebt der Reiche nicht schon zuvor weit, weit weg von Gott? Weil er kein Auge hat für den Mitmenschen in seiner Nähe? Jener, der seine - und niemandes anderen - Hilfe braucht: Dieser Lazarus war sein Lazarus. Der Mensch vor seiner Tür. Nicht das Elend der Welt soll er beheben. Nicht Tausenden von Hungernden weit weg in Afrika, sondern nur diesem einen! Das ist sein Bewährungsfeld. Und dort, nur dort, hat er versagt.
Jesus hat nichts gegen Wohlstand. Auf seinen Wegen durch Galiäa kehrt er auch bei Begüterten ein und isst mit ihnen… Schlimm und traurig ist nur, wie dieser Reiche mit dem ihm anvertrauten Gute umgeht. Was tut er: Gut leben. Und was lässt er: Verantwortung zu übernehmen für diesen Einen an seiner Tür.
Das Schrille in der Geschichte ist nicht, dass er nach dem Tode an einem fürchterlichen Ort sein muss. Das Schrille liegt darin, dass er meint, er könne seine Brüder warnen und zum Umdenken bewegen, wenn sie nur wüssten, wie es ihm ergeht. Doch das wäre erst recht eine traurige Welt: Wenn Menschen nur deshalb andern helfen, weil sie Angst haben, an einen Ort der Qual zu kommen. Gutes tun, weil Schlechtes unter Strafe steht…  Nein, so ist die Welt noch nie besser geworden! Das Gute muss einen anderen Grund haben, Hilfe für die Schwachen sich aus einer anderen Kraft speisen. Mitleid haben heißt: „Mit - leiden – können.“ Sich den Sinn dafür bewahren, wie‘ s anderen ergeht. Solches Sich-Hinein-Versetzen kostet Kraft. Doch es ist heilsam. Und Gott hat‘ s mit Christus vorgemacht. Ist selbst wie Lazarus geworden. Ein Häufchen Elend vor den Toren Jerusalems.
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Ich kann mich eines anderen erbarmen, weil ich dankbar bin für alles, was Gott mir an Gutem anvertraut.  Reich bin ich nicht erst, wenn ich in Shopping-Meilen flanieren und mir alles kaufen kann. Reich bin ich, wo ich alles zum Leben habe, was ich brauche, und ein bisschen darüber hinaus.
Was für ein armseliger Reichtum, der nur dem eignen Genusse dient. Schon da beginnt die große Leere, sprich: die Hölle. Ich denke nicht, dass Jesus seine Hörer das Fürchten lehren will. Das passt nicht zu Gottes Sohn, der einlädt zum Leben. Dieser Gottessohn will helfen, dass wir in jedem Armen, Schwachen, Gebeugten sein Gesicht erkennen. Zunächst ganz sacht und unscheinbar, und dann, nach und nach, immer mehr. Nicht Angst wird retten, sondern Liebe. Seine Liebe zu uns, und unsere Liebe zu den anderen. Wenn die Liebe uns nicht überzeugt, was sonst?
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So wird es kommen, dass wir im Laufe unseres Lebens hin und her wechseln. Mal sind wir reicher Mann, mal Lazarus. Immer aber haben wir das Wort von Mose und den Propheten, das uns auf Gottes Liebe weist. Jesus hebt das nicht auf. Er setzt es auf neue Weise in Kraft und macht uns klar, dass unser Handeln oder Nicht-Handeln immer Folgen hat. Für uns selber, und auch für die anderen.
Nicht Furcht vor dem Scheitern soll unser Leben bestimmen, sondern Gewissheit:
Lazarus – Eleazar:  Der hebräische Name des Armen bedeutet: Gott hilft. Herr, hilf uns, zu helfen…
Wer sich so von Liebe prägen lässt, wer in dieser Liebe bleibt, der bleibt in IHM und in Abrahams Schoß. 
Amen.

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Pfarrer Frank Bohne
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