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Predigt Sonntag Palmarum zu Markus 14,3-9, von Vikarin Daniela Scheuer
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Predigt Sonntag Palmarum zu Markus 14,3-9, von Vikarin Daniela Scheuer

Predigt vom 29.03.20 (Vikarin Daniela Scheuer) Ort: Martin-Luther-Kirche

Hier können Sie die Predigt anhören. Die Glocken der Martin-Luther-Kirche laden Sie ein zum Gebet

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Die Salbung in Betanien
3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.  4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?  5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.  6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein edles Werk an mir getan.  7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.  8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.  9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Liebe Gemeindemitglieder zu Hause, liebe Besucher und Besucherinnen unserer Internet-Seite,

die Passionszeit verbringen wir in diesem Jahr auf eigentümliche Art und Weise. Keine Begegnungen in der Kirche beim Gottesdienst, keine Treffen in den üblichen Gemeindegruppen und wenn, dann nur ein virtueller Austausch über die jeweiligen Pläne für das Osterfest. Das Osterfest, das in diesem Jahr für viele ganz anders als gewohnt verlaufen wird, ist nicht mehr weit entfernt.
Die Passion Jesu, das Leid, das ihn erwartet, die tiefste und dunkelstes Grenzerfahrung des Gottessohnes steht kurz bevor… oder zumindest die Erinnerung daran. Im Markusevangelium, dem der Predigttext für den heutigen Sonntag entnommen ist, wird berichtet, dass Jesus wohl um sein Schicksal wusste und in diesem Wissen gelebt und gehandelt hat.
Der Palmsonntag sorgt mit der Erzählung von Jesu Einzug in Jerusalem in der Zeit seines Leidensweges für eine Unterbrechung. Für kurze Zeit wendet sich das Blatt… Hatte Jesus noch zuvor seinen Jüngern verkündigt, dass er, der Menschensohn, sein Leben als Lösegeld geben werde für viele, so bietet sich nun ein anderes Szenario: Unter Jubel wird der Gottessohn in Jerusalem begrüßt: „Hosianna! Gelobt sei der, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!“ Der Ruf der Menge überdeckt die Bedrohung, die im Untergrund lauert. Nur wenig später wird er verraten werden, von einem Mann aus den eigenen Reihen.
Die Szene aus dem heutigen Predigttext wirkt in der dichten Abfolge der Ereignisse in Jerusalem wie eine wohltuende Unterbrechung eines Dramas.  Die Hohepriester und Schriftgelehrten hatten bereits den Entschluss gefasst, Jesus zu ergreifen und zur Strecke zu bringen. Nun ist er Gast bei Simon. Seine Jünger sind bei ihm, als sich das folgende Geschehen ereignet: Sie sitzen um den Tisch herum in Simons Haus, der von seinen Nachbarn in Betanien, „der Aussätzige“ genannt wird. Sein Körper ist noch immer gezeichnet von der Krankheit, die Menschen damals an den Rand der Gesellschaft drängte und die Simon glücklicherweise überlebt hatte. Der Kontakt mit einem Menschen wie Simon war für die Jünger noch immer etwas ungewöhnlich. Aber Sie waren mit Jesus hier zu Gast, dem sie folgten und dem sie vertrauten. Da trat eine Frau an den Tisch, ungefähr im Alter des Gastgebers. Seine Frau? Seine Schwester? In einer Hand trug sie ein verziertes Gefäß mit einer versiegelten Öffnung. Ein wertvolles Behältnis aus hellem Alabaster. Wie eine kleine Vase sah es aus. Was hatte sie damit vor? Da! Sie zerbrach die Spitze des Behältnisses mit der bloßen Hand und goss den Inhalt in einem kleinen Schwall über Jesu Haupt. Die Flüssigkeit verteilte  sich sogleich in den Haaren des wundersamen Rabbis, floss in die Spitzen und tropfte schließlich auf den Lehmboden…reines, unverfälschtes Nardenöl, hergestellt aus einer indischen Pflanze aus dem Himalaya, in der antiken Zeit bis in den Mittelmeerraum exportiert. Ein wohlriechender ätherischer Duft breitete sich aus. Zunächst herrschte Stille. Die gesprächige und ausgelassene Stimmung war jäh zum Erliegen gekommen. Bis sich der erste der Anwesenden zu Wort meldete… „Frau was hast du getan?“ Die Männer um den Tisch herum begannen untereinander zu reden und zu rufen. Die Jünger konnten es nicht fassen. Welch eine Verschwendung!  „Man hätte diese Öl für mehr als 300 Denar verkaufen und das Geld den Armen geben können“, erzürnten sie sich. „Und sie fuhren sie an.“ Die Jünger sind außer sich. Der Name der Frau ist nicht bekannt. Auch wenn es heutzutage vielleicht etwas unglaubwürdig erscheint – so viel Ärger um etwas wohlriechende Flüssigkeit – die Anwesenden hatten ihren Grund. Wenn man heute, im Jahr 2020 das Produkt googelt, findet man Angebote wie etwa 5ml bioätherisches Nardenöl für 29.90 €. Nicht unbedingt ein Schnäppchen unter den Heilpflanzenerzeugnissen. Zu biblischen Zeiten entsprach ein Denar dem Verdienst eines Tagelöhners. 300 Denar machten da schon fast ein Jahreseinkommen aus – verschwendet in einer freundlichen Geste der Gastfreundschaft und Hochachtung.
Was treibt die Frau dazu an, das kostbare Öl auf einmal zu verbrauchen? Welches Motiv steckt hinter einer solch ausschweifenden Handlung? Es wird nicht berichtet, dass sich Jesus zuvor mit ihr unterhalten hätte. Warum die sie so handelt, wird nicht weiter begründet. Manche Erklärung ist denkbar. Eine Salbung als eine Geste der Gastfreundschaft drückt allgemein Ehrerbietung aus.  War hier etwa von der Frau des Simon die Rede? Wurde Simon möglicherweise geheilt und seine Frau brachte somit ihre Dankbarkeit zum Ausdruck? All das ist nicht bekannt. Dieses Nichtwissen und Nichtverstehen  wird verstärkt durch die Reaktion der Jünger: Sie können es einfach nicht nachvollziehen. In ihrem Zorn fluchen und ereifern sie sich. Sie sind Zeugen einer aus ihrer Sicht völlig unangemessenen Geste der Verschwendung. Sie gehen die Frau scharf an. Direkt, und indirekt den Empfänger der Gabe: Jeus selbst, als passives Opfer ihrer Kritik. Der, dem sie folgen, dessen Taten sie bestaunen und dessen Erzählungen sie lauschen und – nicht verstehen – noch nicht.
In meiner Familie gab es in meiner Kindheit ab und an einen ähnlichen Konflikt. Mein Bruder besuchte damals ein Internat und kam nur alle vier Wochen für ein Wochenende nach Hause. Meine Mutter litt besonders unter dieser Zeit der Trennung. Sie fieberte dem sogenannten Heimfahrtwochenende meines Bruders entgegen. Kaum war er angekommen, ging es mit der Familie auf den Markt. Dort wurde in Fülle eingekauft. Käse, Schinken, Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse, Oliven, getrocknete Früchte, was auch immer das Herz meines Bruders begehrte… und auch was es nicht begehrte… es sollte ihm an nichts mangeln, an diesem Wochenende. Meine Schwester blickte verärgert auf diese Verschwendung. Der Einkauf war aus ihrer Sicht viel zu groß, zu viel, unnötig. Heute denke ich, es war Neid mit dabei, um die Aufmerksamkeit, die ihr Bruder bekam.
Die Jünger entrüsten sich. Der Erlös des Öls hätte den Armen zukommen können. Verzicht und Entbehrung standen doch auf ihrem Programm. Sie hatten schließlich alles zurückgelassen um Jesus nachzufolgen und es ihm gleichzutun. Der aber stimmt nicht mit ein in die Anklage. Er spricht: „Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein edles Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.“
Ein edles Werk. „Des einen Freud ist des anderen Leid“,  könnte man sagen. Es ist auffällig dass Jesu Begleiter mit einem Mal so sehr Partei für die Benachteiligten der Gesellschaft ergreifen. In den Erzählungen zuvor hatten sie vielmehr sich selbst im Blick. Da war der Streit, wer unter ihnen der Größte und Wichtigste sei. Und als es darum ging, wie man ins Reich Gottes komme, waren die Jünger entsetzt als Jesus sprach: „Wie schwer werden es die Reichen haben.“ Von einer aufopferungsvollen Grundhaltung der Jünger, die ihnen nach dem Vorbild Jesu bereits in Fleisch und Blut übergegangen war, kann für mich keine Rede sein. Zu groß wäre der Kontrast zu ihrem vorherigen Verhalten. Vielmehr vermute ich niedrige Beweggründe bei Ihnen: Neid, Eifersucht. Warum sollte Jesus etwas zukommen, das sich für sie selbst verbat? Wenn, dann sollten schließlich alle an einem Strang ziehen. Jesus geht mit gutem Beispiel voran.
Dabei übersehen sie jedoch etwas Wesentliches: Ihr habt allezeit Arme bei euch und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun. Mich aber habt ihr nicht allezeit.“  Lebt im Moment! Denkt daran, was noch bevorsteht. Sie hatten die Ankündigungen Jesu Leiden zuvor nicht ernst genommen. Kapitel acht, neun und zehn, Jesus muss bald gehen. Dreimal kündigt der Menschensohn im Markusevangelium sein Martyrium an. Das erste Mal will Petrus sich ihm widersetzen, als Jesus von seinem bevorstehenden Tod spricht. Jesus erzürnt. Er ruft: „Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“
Jesus ist Mensch und doch Gott. Jesus ist der Christus, von Beginn an. Er ist zugleich wahrer Mensch und wahrer Gott. Der Tod am Kreuz und seine darauffolgende Auferstehung werden es zeigen. Beides gehört unauflösbar zusammen. Und die Jünger haben es nicht verstanden. Sie wissen zwar, dass Jesus der Christus ist, Petrus hat es verkündigt, aber sie können es nicht nachvollziehen. Es ist wie ein Rätsel. Es fehlt die Erfahrung. Eine Person allerdings hat das Geheimnis um Jesus erfasst. Sie hat es gewagt hinzuschauen und die Augen vor dem, was bevorsteht nicht zu verschließen. Es ist die Frau in Simons Haus. Sie macht Jesus zum Messias, dem Gesalbten. Eine prophetische Handlung, die von Jesus bestätigt wird: „Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.“ Es könnte keine würdigere Verwendung für das wertvolle Öl geben. Die Jünger bleiben augenblicklich sprachlos.
Bei einer drohenden Katastrophe ist es wichtig handlungsfähig zu bleiben. Im Angesicht der Not sind auf einmal Dinge möglich, die sich sonst verbieten oder dem Alltagsgeschehen unangemessen sind. Der Malteser Hilfsdienst setzt sich mit der Aktion „Herzenswunsch-Krankenwagen“ für Sterbende ein, die vor ihrem Tod noch einmal etwas erleben möchten, das ihnen sehr am Herzen liegt. Dafür scheut die Stiftung weder Kosten noch Mühen. So ermöglichen die medizinisch geschulten Begleiter letzte Wochenendausflüge an die Ostsee oder an andere Orte, die für die Schwerkranken von besonderer Bedeutung sind.
„Den Tagen mehr Leben geben“, lautete der Leitspruch der Gründerin der Hospizbewegung Cicely Saunders.  Die Länge des Lebens allein, macht es nicht lebenswert. Wichtig ist die Lebensqualität. Für Menschen in der letzten Lebensphase sollen nach Saunders keine Umstände gescheut werde, um das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten und einen Abschied in Würde zu gewähren. „Denn ihr habt alle Zeit Arme bei euch … mich aber habt ihr nicht allezeit.“ Es ist der Impuls der Nächstenliebe, der das Herz der Frau am Tisch bei Jesus überschäumen lässt. Sie gießt ihre ganze Liebe über Jesus aus – mit dieser einen Flasche wertvollen Salböls, die sie lange verwahrt hielt, für einen besonderen Moment. Denn sie hat erkannt, wer er ist und was sein Dasein für die Welt bedeutet. Für die Armen soll auch gesorgt werden, dann, wenn Jesus nicht mehr unter den Jüngern weilt. Sein Auftrag wird zu ihrem werden. Die Salbung zum Begräbnis in Betanien ist ein Ausdruck für das, was bevorsteht. Sie ist ein Sinnbild für die ausgeschüttete Liebe im Namen Jesu. Wer diese nachvollzieht, wird nicht verschwenderisch handeln, sondern genau das Richtige tun.
Wo etwas aus der Liebe Christi heraus geschieht, soll nicht aufgerechnet werden. Eine Unkostenabrechnung soll nicht im Vordergrund stehen. So wäre es wünschenswert auch für alle jene, die in dieser Zeit unverzichtbaren Dienst für andere tun. Der Wert ihrer Taten ist nicht mit Geld aufzuwiegen und doch entspricht ihr Lohn nicht annährend ihrem Aufwand.  Die Frau, die Jesus salbte dient als Vorbild und Beispiel. Wenn Menschen gerade in dieser ungewöhnlichen Zeit den Mut zu scheinbar überflüssigen Gesten für andere haben, sind sie bei der Frau an Jesu Seite, bei Gott. Dem, der aus Liebe für den Nächsten mit vollen Händen austeilt, ist es nicht als Vergeudung anzurechnen. Dessen Handeln ist edel und wird nicht verhallen sondern der Welt im Gedächtnis bleiben, sagt Jesus. In Erinnerung bleiben dann nicht Überfluss und Verschwendung, sondern die Geste aus reinem Herzen.
Amen.

Lied: EG 384, Strophen 1.2: „Lasset uns mit Jesus ziehen.“  

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Vikarin Daniela Hagemeyer
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