13. Sonntag nach Trinitatis zu 1. Korinther 3, 9-15
Predigt vom 06.09.20 (Pfarrer Frank Bohne)
Die Glocken der Martin-Luther-Kirche laden Sie ein zum Gebet.
Liebe Gemeinde!
„Das Leben ist eine Baustelle“ - so heißt eine Tragikomödie aus den späten Neunzigern. Tom Tykwer hat sie gedreht mit dem jungen Jürgen Vogel in der Hauptrolle. Das Leben ist eine Baustelle… Allerdings läuft auf der Baustelle dieses jungen Mannes gar nichts rund. Ungeschickt gerät er in eine wilde Demo. Wird verhaftet, zu 4.500 D-Mark Strafe verurteilt. Woher soll er die nehmen, denn der Job ist weg. Und die Ex-Freundin sagt ihm, sie habe möglicherweise schon länger HIV… Als er seinen vereinsamten, schwierigen Vater besucht, findet er den tot am Küchentisch. Das Begräbnis mit Pfarrer bei schüttendem Regen mit der zerstritteten Familie ist die schrägste Film-Bestattung, die ich kenne. Doch er trifft Vera wieder, die ihm zu Anfang die Verhaftung eingebrockt hatte, und es entspinnt sich eine zaghafte Liebe. Auf und ab, auseinander und zusammen…
„Wenn du denkst, jetzt klappt's, da scheißt dir das Leben ins Gesicht...“ heißt es an einer Stelle.
Sollen sie eine Beziehung wagen? „Wie soll das gehen, wenn ich nicht weiß, wie du lebst. Wer du bist. Was denkst, machst, tust du, wenn wir uns nicht sehen?“, fragen Sie sich gegenseitig. Können/ wollen die beiden sich aufeinander einlassen? So richtig? Es aushalten, dasein füreinander? Da ist der Film zu Ende. Er kann es nicht beantworten, denn wie gesagt: Das Leben ist eine Baustelle…
Das Wertvolle, wie ich finde, das Bleibende dieses Films ist, dass er solche Fragen stellt. In den wilden Neunzigern! Als alles von Aufschwung faselt - und doch so vieles misslingt. Was ist mit dem Sinn? Was machst du? Wofür lebst du? Wieviel Platz ist darin für einen anderen? Und wie gehst du mit ihm um...
Das Leben ist eine Baustelle. Es ist deine Baustelle.
Das schreibt auch der Apostel Paulus an die Gemeinde nach Korinth. Doch hören Sie selbst:
Lesung des Predigtwortes 1. Kor. 3, 9-15
Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerwerk und Gottes Bau.
Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeglicher aber sehe zu, wie er darauf baue.
Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
So aber jemand auf diesen Grund baut Gold, Silber, edle Steine, Holz, Heu, Stoppeln, so wird eines jeglichen Werk offenbar werden: der Tag wird's klar machen. Denn es wird durchs Feuer offenbar werden; und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer bewähren.
Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen.
Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird selig werden, so doch wie durchs Feuer hindurch.
Das Leben als Baustelle? Paulus ist das zu wenig. Er setzt noch eins drauf: Du, ich, unser Leben – es ist Gottes Baustelle. Und ein Garten ist auch noch drum rum. Ihr seid auch Gottes Agrokultur. Wenn wir den Urtext stehen lassen, klingt's sogar noch schöner. Es sind große, wertschätzende Worte. Das Ackerfeld, die Baustelle Gottes...
„Ich will pflanzen und bauen, spricht der Herr...“, so heißt es bei Jeremia mit Blick auf Gottes Neuanfang. Nie geht es um ein starr-technisches Unterfangen. Wenn Gott pflanzt und baut, dann ist das eine dynamische Sache, dann geht es um sein Reich.
In dieser Tradition steht Paulus, als Mitarbeiter Gottes. Und weiß: Kein Weinberg ohne Turm. Kein Haus ohne Garten, auch kein Schrebergarten ohne Hütte. Doch dann schwenkt der Blick des Apostels. Auch wenn der Acker nicht vergessen ist: nur das Bild von der Baustelle, nur das entfaltet er weiter. Wenn Sie so wollen: die Kamera wird - wie im Film - auf die eine Seite gerichtet, es wird heran gezoomt, und dort eine Szene entwickelt. Ihr seid Gottes Baustelle… Für diese Baustelle hat der Bauherr einen Plan. ER hat sich das Gebäude ausgedacht. Wenn es fertig ist, wird die Welt staunen. Bis es soweit ist, wird sich der Bauherr verschiedener Baumeister bedienen, die seine Idee umsetzen.
Das ist heutzutage oft anders: Heute erschrecken Bauherren manchmal, was rauskommt, wenn sich der eine oder andere Architekt verwirklicht. Ein unzweckmäßig-hässliches Etwas, an dem dann keiner schuld sein will…
Bei Paulus ist es ganz anders: er ist ein Baumeister, der dem Willen des Bauherrn entspricht. Er setzt nur um, was Gott will. In Korinth hat der Apostel aus den untersten Schichten Steine gesucht, mit denen sonst kein Staat zu machen war: Versager und Unwürdige, Schwache..., Leute für gewisse Stunden… sie sind das Baumaterial für Gott. Paulus hat sie zutage gefördert und aneinandergefügt. Die Grundsteinlegung hat stattgefunden und wurde auch schon gefeiert: Es ist Jesus, der Christus.
Der am Kreuze starb und auferstand. Einen andern Grund kann keiner legen, als der, der liegt:
ER wird das Fundament des Baues sein und bleiben. Keiner wird daran rütteln, ohne alles zu zerstören…
Dann ist die Bauerei über Jahrhunderte weiter gegangen. Wenn man so will: das Bau-Handwerk boomt nunmehr seit fast 2000 Jahren. Sie merken, ich spreche von der Kirche... Leute für's Grobe haben gewirkt, Statiker und Statisten, Gerüstbauer und Maschinisten mit Seilwinden. Steinmetze fürs Filigrane und moderne Fliesenleger, Stukateure und Künstler, Techniker, die Strippen ziehen, sind alle sind durch die Baustelle durch. Sie alle haben weitergebaut an diesem Bau, der Kirche. Ein imposantes, mehrflügeliges Gebäude ist es inzwischen geworden. Ob es so bleibt, wie es steht, kann keiner sagen. Manchmal geraten die Bauteams auch aneinander. Die am rechten und am linken Flügel bauen. Und die in der Mitte. Die weiter oben werkeln, und jene, die unten noch nicht fertig sind. Jeder denkt, er sei der wichtigste und beansprucht Kraft und Energie.
Auch Stürme sind schon um das Bauwerk gefegt, und die, die dabei waren, meinten, das hält die Hütte niemals aus. Manchmal hat die Erde gebebt und die Grundmauern der Kirche erschüttert, und ja, manches ging auch zu Bruch. Krisen treiben Leute, die sich wirklich Mühe geben, zur Resignation, an den Rand der Verzweiflung. Doch dann geht es trotzdem weiter. Anders als gedacht, aber weiter.
Manche bauen, und andre reißen scheinbar nieder. Wer von außen zuschaut, spöttelt: Da wisse wohl die Rechte nicht, was die Linke tut. Doch der Bauherr, der weiß Bescheid. Das steht so fest wie das Amen in der Kirche. Nichts wird bestehen bleiben, was ER nicht will. Und nichts unterbleiben, was ER sich vorgenommen hat. Gott hat das nötige Kapital.
Denn die Bauabnahme, die steht ja noch bevor. Sie wird am Ende stehen, hatte Paulus gesagt. Wenn der Bauherr und Herr dieser Welt kommt und selbst den Schluss-Stein setzt. Das wird zur Feuerprobe werden. Erst dann ist die wirklich „heiße Phase“ am Bau. Was tragfähig ist - oder in sich zusammenfällt, was weg muss und was stehen bleibt, ist dem Zugriff derer, die jetzt bauen entzogen.
Das ist tröstlich. Denn es hat sich schon einmal gezeigt, dass ein Stein, den die Bauleute verwarfen, sich als tragend erwies…
Was tun wir nun mit der großen Filmszene, die uns Paulus entwirft? Die Versuchung ist groß, zuerst an die Baumeister zu denken. Denen in Verantworung, der Leitung, den Ball zuzuspielen: Ihr habt's gehört, ihr da oben! Macht ihr was draus!
Doch es gibt keinen Grund, die Weite, die Paulus im Blick hat, einzuschränken. Der Apostel schreibt an ein paar Dutzend Christen in Korinth. Er schreibt an sie als Gemeinde, und zugleich als einzelne, schlichte und einfache Leute.
Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut,
heißt es da. Deshalb denke ich, jeder und jede ist gemeint. Das gilt nun übertragen auch für uns, die wir heute in der Kirche sitzen: und zwar doppelt: Als Einzelne und als Gemeinde.
Die Gemeinde ist Gottes Baustelle. Unsere Kirche ist es. Und du und ich, wir sind es auch. Und Gott ist das eine so wichtig wie das andere.
Der Grund, der ist schon gelegt. Sonst wären du und ich nicht hier. Du bist getauft. Christus hat schon ja zu dir gesagt. Doch wie wird seither auf dieser Baustelle gebaut?
Hat die Großmutter mit dir gebetet - Abend für Abend? Den einen kleinen Vers, der in deinem Herzen ist. Die Katechetin dir eine Geschichte so erzählt, dass dir noch heute Gänsehaut kommt, wenn du nur daran denkst? Ist der Jugendwart oder dein Pfarrer für dich eingestanden, als du dich als Jugendlicher mit Tradtionen und den Etablierten angelegt hast, weil es dir um Christus ging und sein Gebot …? Dann sei froh - da hat jemand mit Edelsteinen gemeinsam mit dir weitergebaut.
Und die Sehnsucht, die dich noch immer beschleicht, nach Klarheit und Wahrheit, nach gutem lebendigem Wort - vom Himmel in dein Herz …
Und der Zweifel auch, der dich befällt und dann doch näher bringt zu Gott. All das ist wie Silber und Gold.
Und wo du eingetreten bist für den Gemobbten, der niedergemacht wurde im Betrieb, die Courage, die du an einem ganz bestimmten Punkt für eine Sache aufgebracht hast, weil dein Herz dafür brannte und du über dich selbst hinausgewachsen bist, sind es auch. All das wird die Feuerprobe bestehen, wenn Gott dich und mich, seine Baustelle besucht.
Und mach anderem, das mit viel Aufwand betrieben und deine Zeit gefressen hat… Was andere dir eingeredet haben, es sei unumgänglich, wenn du denn glaubst…
Dem Rauschen im kirchlichen Blätterwald, manch frommem Redeschwall dazu. Vielleicht auch dem Quittungsblock mit dicken Spenden… - … wird es im Feuer der Liebe Gottes ergehen wie Heu und Stroh.
Vielleicht. Du weist es nicht. Und das ist tröstlich. Denn es hält dich ab davon, von Gott zu klein zu denken und von dir selbst zu groß.
Was fromm war, dich und andre in der Existenz aufgebaut hat, oder was gottlos und zerfällt, es wird sich zeigen, wenn der Bau fertig ist. Wenn die Baustelle fertig ist, du und ich fertig sind und wir in Gottes Armen sind.
Und was für uns gilt, gilt auch für die Kirche. Sie ist nicht frömmer, wie du und ich es sind. Und auch nicht gottloser, wie du und ich es sind. Kirche ... sind wir.
„Das Leben ist eine Baustelle…“ hieß der etwas schräge Film aus den 90ern. Die Fragen, die er stellte, sie gelten - wie ich finde - bis heute, und in existentieller Weise für uns Christen: Was ist mit dem Sinn? Was machst du? Wofür lebst du? Wieviel Platz ist darin für einen anderen? Und wie gehst du mit ihm um?
Lebst du vor dich hin, nur damit beschäftigt, den eigenen Kramladen vor dem Einfallen zu bewahren, und bist wütend und enttäuscht, „wenn dir das Leben ins Gesicht scheißt“, wie es im Film hieß. Oder hast du dir den weiten Horizont bewahrt: Du bist Gottes Baustelle. Der andere auch. Und euer Umfeld, die Gemeinde noch dazu. Du bist aufgefordert, daran mitzubauen, weiterzubauen. Der Bauherr hat dich wert geachtet. ER traut es dir zu. Risiken und Nebenwirkungen bei der Mitarbeit an Gottes Bau bleiben bestehen. Man kann sich gehörig die Finger verbrennen...
Das Feuer wird’s erweisen, sagt Paulus, am Tag des Gerichts.
Das hört sich für potestantische Ohren sicher schwer. Dass es noch einmal so um unsre Werke gehen soll. Doch was haben wir gedacht? Glaube ist nie Spaß und Zeitvertreib. Es bleibt ein Ringen und Sich-mühen. Es geht um alles.
Mein Trost bleibt, dass Gott es ist, der da prüft. Das Feuer seiner Liebe. Und wenn dann etwas verbrennt, ist es das, was rausgekommen ist. Das Heu und Stroh meiner Fehler und vermeintlichen Guttaten. Doch wer mitgearbeitet, wer mit gebaut hat, ist gerettet. Das bleibt. Auch durchs Feuer hindurch.
Mehr muss ich nicht wissen. Denn so ist das Leben. Es ist eine Baustelle. Gottes Baustelle. Du und ich. Und seine Gemeinde.
Amen.
Predigtlied: EG 254 „Wir woll'n uns gerne wagen“
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