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Predigt am Karfreitag im ökumenischen Gottesdienst in der St.-Peter-und-Pauls-Kirche Markkleeberg über Simon von Kyrene oder wie man plötzlich ungewollt zum Kreuzträger wird
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Predigt am Karfreitag im ökumenischen Gottesdienst in der St.-Peter-und-Pauls-Kirche Markkleeberg über Simon von Kyrene oder wie man plötzlich ungewollt zum Kreuzträger wird

Predigt vom 14.04.17 (Pfarrer Dr. Arndt Haubold)

„Und als sie hinausgingen, fanden sie eine Menschen aus Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein Kreuz trug.“ (Mt. 27,32)
„Und sie zwangen einen, der vorüberging, mit Namen Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater des Alexander und des Rufus, dass er ihm das Kreuz trage.“ (Mk. 15,21)
„Und als sie ihn abführten, ergriffen sie einen Mann, Simon von Kyrene, der vom Feld kam, und legten das Kreuz auf ihn, dass er's Jesus nachtrüge. Es folgte ihm aber eine große Volksmenge und Frauen, die klagten und beweinten ihn...“ (Lk. 23,26f)
„Grüßt Rufus, den Auserwählten in dem Herrn, und seine Mutter, die auch mir eine Mutter geworden ist.“ (Rm 16,13)

 Liebe Gemeinde!

Es ist eine Schande: Jeden Sonntag erinnern wir uns im Gottesdienst, in der Heiligen Messe im Apostolischen Glaubensbekenntnis an den Mörder Jesu und halten sein namentliches Gedächtnis lebendig: Pontius Pilatus! Ausgerechnet dieser feige Mensch! Den aber, der ihm auf dem Weg der Qual letzte Hilfe leistete und ihm sein Kreuz trug, Simon von Kyrene, den erwähnen wir nicht!

Wer war dieser Mann, den wir zu den ersten Nachfolgern Jesu rechnen? Und weshalb trug er Jesu Kreuz und nicht einer der Jünger Jesu? Simon, ein verbreiteter Name, von Kyrene genannt. Dieses Gebiet lag im Norden des heutigen Libyens, dort gab es eine große jüdische Kolonie. War er nur als Festbesucher nach Jerusalem gekommen? Dann wäre er kaum vom Feld gekommen und hätte auch seine Söhne nicht dabeigehabt. Es gab viele Juden in der Diaspora, die im Alter ins heilige Land zurückkehrten, um dort ihren Lebensabend zu verbringen und zu sterben. So einer war wohl Simon.

Er kam vom Feld. Auch das muss uns stutzig machen. Welche Arbeit hat er noch auf dem Acker verrichtet, während sich alle schon auf das Fest vorbereiten? Es könnte sein, dass das ein Affront gegen die jüdische Sabbatheiligung war, wie Jesus es selbst getan hatte. Aber wir wissen es nicht. Geschafft vom Tagewerk und in Vorfreude auf das hohe Fest strebte er nach Hause und wusste nicht, wie ihm geschah. Er sah von weitem schon den Auflauf von Menschen an der Straße nach Golgotha, hörte das Schreien römischer Legionäre und die Aufschreie von Frauen. Da wurde wohl wieder einer zur Richtstätte geführt. Simon hätte warten oder einen Bogen machen können, aber wenn auf der Straße etwas passiert, ist die Neugier größer als die Angst. So ging er nicht beiseite, und bald sah er drei Verurteilte die Straße heraufgetrieben werden, die keuchend und schweißtriefend einen schweren Holzbalken quer auf ihren Schultern trugen. Es war ihr eignes Kreuz, das ihnen blühte, und sie taten ihm Leid. Er wusste nicht, was sie begangen hatten, wahrscheinlich waren sie Schwerverbrecher, gar Mörder, aber ganz sicher war er sich nicht, denn es gab auch politische Urteile, und wenn das Hohe Gericht einen Menschen beseitigen wollte, dann fanden sie falsche Zeugen und Indizien, die ihnen entgegenkamen. Vor allem der dritte tat ihm Leid. Er blutete am ganzen Körper, sie hatten ihn ausgepeitscht, und auf dem Kopf trug er einen Kranz von dornigen Zweigen, dessen Dornen sich in die Kopfhaut gepresst hatten. War das nicht jener Prophet, von dem die Leute seit einiger Zeit so viel erzählt hatten? Jetzt kam er ganz nah an ihm vorbei – und da brach er gerade neben ihm unter dem Balken zusammen. Einige Leute lachten hämisch, andere kreischten. Simon sah in seine Augen, und in dem Moment wusste er, dass dieser Mensch kein Mörder war. Doch ehe er noch seinen Gedanken weiterdenken konnte, packte ihn einer der Legionäre am Arm: „He du, komm her, siehst du nicht, dass der König am Ende ist, los, nimm sein Kreuz und trag es ihm nach!“ Er wollte noch dem Zugriff entkommen, aber ehe er sich besinnen konnte, hatten ihm die Soldaten schon den Balken auf die Schulter gelegt, besser geworfen, und er musste zugreifen und als letzter durch die gaffende Menge Schritt für Schritt setzen. Er hatte nur einen Gedanken: Hoffentlich sind wir bald am Ziel, und hoffentlich sieht mich kein Bekannter, vor allem nicht meine beiden Jungs Alexander und Rufus, die mir vielleicht entgegenkommen wollten. Der Weg zog sich qualvoll in die Länge. Die Sonne brannte, der Balken drückte ihn hart, er bekam mit jedem Schritt mehr Mitleid mit den Verurteilten, und er hatte Angst, dass sie ihn auf irgendeine Weise noch weiter hineinziehen wollten. Er wurde von einem Haufen laut schreiender Weiber verfolgt. So schnell bist du in der Patsche, ohne etwas getan zu haben! Endlich waren sie auf dem Hügel angelangt, auf dem die Delinquenten hingerichtet werden sollten. Drei Löcher waren bereits in der Erde ausgehoben, aber nicht, um Bäume zu pflanzen, sondern um die Kreuze darin aufzurichten. Die Kreuze! Es waren doch drei Menschen, die hier vor aller Augen auf die am Boden zusammengesteckten Kreuzbalken geworfen, von den Legionären festgehalten, dann festgebunden wurden. Dann hörte man sie furchtbar schreien, als die Legionäre ihnen drei große Eisennägel durch die Hände und Füße schlugen und danach die Kreuze unbeeindruckt von den Schreien der Männer in die Löcher zerrten und mit Hilfe von Seilen langsam aufrichteten. Wie gottverlassen müssen sich diese drei Armen in jenem Augenblick vorgekommen sein! Umgeben von einer Schar von Menschen, von denen ihnen keiner half.

Simon mochte nicht hinschauen und nicht hinhören. Der Blick des Mannes verfolgte ihn, die Schreie mochte er nicht hören, und er lief davon, als gälte es sein Leben. Er hatte mitgewirkt, ohne es gewollt zu haben, an jenem Urteil, dessen Rechtmäßigkeit er in dem Moment ganz und gar infragestellte. Er wollte versinken vor Scham. Da aber hielt ihn einer fest und sprach ihn an: Simon,  ich danke dir, du hast ein gutes Werk für meinen Freund getan! Du hast unserem Meister den letzten Liebesdienst erwiesen. Ich war zu feig dazu und habe nur aus der sicheren Entfernung zugesehen. Komm zu uns, und lass dir erzählen, was geschehen ist! Er mochte in dieser Verfassung noch nicht nach Hause gehen und nahm dankbar das Angebot zu einem Becher Wasser an. Sie setzten sich irgendwo an den Straßenrand, wo es ruhiger war. Es wurde ein langes Gespräch, und es veränderte Simons Leben. Von diesem Tag an gehörte er zum Kreis derer, die an Jesus glaubten, und nicht nur er, sondern seine ganze Familie, seine Frau und seine beiden Söhne Alexander und Rufus. Sie waren in der Urgemeinde bald bekannt, sogar der Apostel Paulus lernte sie 20 Jahre später noch kennen und ließ sie in einem seiner Briefe grüßen und Dank für erwiesene Gastfreundschaft ausrichten. Ihre für Juden untypischen, griechischen Namen deuten nochmals darauf hin, dass Simon kein streng konservativer Jude war, sondern eher ein Neuerer, wie sie dann die christliche Urgemeinde bald prägen sollten. Er war eher einer von außen, der Gottes Willen tat, ähnlich so wie der barnmherzige Samariter.

Es war nicht viel, was er für Jesus getan hatte. Eine Stunde vielleicht hatte er ihm geholfen. Ja, es war eine harte Stunde, und er würde sie sein Leben lang nicht vergessen. Dieser Liebesdienst hatte ein schweres Gewicht. Er, Simon, hatte Jesus ein Zeichen der menschlichen Nähe geschenkt, und er war Augenzeuge gewesen dessen, was später erzählt und erst lange danach aufgeschrieben wurde.

Auch wir können in einem ungeahnten Augenblick von Gott in Dienst genommen werden, um einem Menschen zu helfen oder um Zeugen Jesu zu sein wie Simon von Kyrene. Er steht für eine Nachfolge aus dem kalten Stand heraus, die jeden Augenblick die unsere werden kann. Wir haben keine Chance, uns darauf vorzubereiten. Es ist auch gut, dass wir schwere Anforderungen an uns nicht vorher angekündigt bekommen. Wir würden vor ihnen ausreißen. Es kann jeden Tag auf der Straße, in der Familie, in der Umgebung etwas geschehen, das uns fordert, bei dem wir ohne zu überlegen eingreifen oder anpacken müssen. Es muss nicht gleich eine Kreuzigung sein. Es kann ein Unfall sein, ein Verbrechen, irgendein unvorhersehbares Ereignis, das uns fordert, sofort anzufassen und etwas zu tun. Nicht auf unsere unpassende Kleidung zu achten oder auf unseren vollen Terminkalender. Gott schenkt uns in solchen schweren Augenblicken die Kraft, die wir brauchen, und die wir uns gar nicht zutrauten.

Mögen wir Simon von Kyrene im Gedächtnis behalten, auch wenn er nicht den Weg ins Glaubensbekenntnis gefunden hat, und bereit sein für die Stunde, in der uns Gott ruft, einem andern das Kreuz abzunehmen und zu tragen!

 

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Pfarrer Dr. Arndt Haubold
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