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Predigt zu Lukas 19, 37- 40 am Sonntag Kantate von Pfarrer Frank Bohne, Auenkirche, 10.05.2020
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Predigt zu Lukas 19, 37- 40 am Sonntag Kantate von Pfarrer Frank Bohne, Auenkirche, 10.05.2020

Predigt vom 10.05.20 (Pfarrer Frank Bohne)

Die Glocken der Martin-Luther-Kirche laden Sie ein zum Gebet.

Die Predigt ist von Pfarrer Bohne, der sie in der Johanniskirche am Sonnabend und in der Auenkirche am Sonntag hält.

Predigt zu Lukas 19, 37- 40 am Sonntag Kantate, Markkleeberg, 10.5.2020 von Pfarrer Frank Bohne

Als Jesus schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht!
Er antwortete ihnen und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeindeglieder!

Wir lassen uns das Singen nicht verbieten, das Singen nicht und nicht die Fröhlichkeit...“
Ist Ihnen der Schlager noch im Ohr? Tina York landete mit ihrem Mitklatsch-Lied 1975 einen Superhit. Sie tritt bis heute als Rentnerin damit auf. Das Lied trifft in unserem Kleinhirn irgendeinen Nerv. Es geht nie wieder weg… Sogar Singe-Muffel brummen die Zeilen mit.
Wir lassen uns das Singen nicht verbieten …?“
„O doch!“, sagen Gesundheitsbehörden. Auch das Landeskirchenamt. Kirchen-vorstände fassen Beschlüsse. Und auch ich habe zugestimmt.Bei dem wenigen, was man über Corona-Viren weiß, scheinen sie sich grade in den Aerosolen, die sich beim Singen in unseren Hälsen bilden, besonders zu tummeln, und dann beim tieferen Luftholen - wegen des Singens - beim nächsten einzunisten…
Wie gesagt und bei aller Vorsicht: Nach dem, was Wissenschaftler an wenigem über das Virus bisher wissen. Für eine Verschwörung von Singe-Muffeln oder von Amazon music halte ich es deshalb nicht. So gilt erstmal: Bitte nicht singen! Bis zur nächsten schlüssigen These. Da ist die Wissenschaft ganz trocken... Und wenn das die Hürde ist, über die ich in den nächsten Wochen steigen muss, um weiter mit Ihnen Gottesdienst zu feiern, dann nehme ich das hin. Auch wenn es schmerzt. Erst recht am Sonntag Kantate. Der heißt ja auch noch: „Singt!“
Ich lasse mir das Singen doch verbieten…“
Aber Hand aufs Herz: Wo wird denn noch gesungen? Im Fußballstadion? Oder singen Sie unter der Dusche?
Wenn ich das tue, gelegentlich, dann bin ich erstaunt über die Resonanz: Bei einigen wenigen Tönen einer bestimmten Lage schwingt die ganz Duschkabine mit... Sie müssen das mal ausprobieren, für sich allein! Es funktioniert im übrigen auch in so manchem Hausflur oder Treppenhaus. Ein bestimmter Ton, und die Luft vibriert …
Kirchenmusikdirektor Brödel - er ist schon im Ruhestand - machte sich daraus einen Spaß: Er merkte sich die Töne, welches Treppenhaus - in welchem Gebäude - wie klang. Das Landeskirchenamt h-moll (?). Das Seminar in Dur. Die kleine Kirchkanzlei ganz hoch, wie auf dem letzten Loch...
Ob sich daraus Schlüsse ziehen ließen, welcher Geist in dem Gebäude wohnt? So weit wollte Christfried Brödel sich dabei nicht versteigen. Auch das wär' ja nur eine Theorie. Bis zum Beweis des Gegenteils…
Wir lassen uns das Singen nicht verbieten...“
Damit sind wir auch mitten im Evangelium für den Sonntag Kantate. Ein neues Evangelium. Seit der Perikopenrevision werden wir es von nun an zu Kantate hören. Lukas 19, 4 Verse. Dem Abschnitt tut das gut, denn er stand neben seinen beiden berühmten Parallelen - der zum 1. Advent und zum Palmsonntag - eher im Schatten. Auch Lukas erzählt vom Ankommen Jesu in Jerusalem. Aber etwas anders als wir es kennen...
Die grandiose Huldigung - mit dem Esel über Kleider und Zweige hinweg - ist schon vorbei.Lukas weiß nichts davon, dass Volksmassen singen. Bei ihm ist es nur die Schar der Jünger. Und sie singen nicht direkt bei Jesu Ankunft. In unserer kleinen Begebenheit scheint Jesus schon eine Weile in Jerusalem zu sein. Er steigt schon den Abhang vom Ölberg hinab, als die Jünger den Lobgesang beginnen. Auch was sie da singen und loben, hebt sich ab von dem, was wir kennen. Kein: „Tocher Zion, freue dich!“ - das kommende Reich des Davids-Sohns, am Ende der Zeit. Nicht mal ein Hosianna. Die Jünger blieben treu beim Liedtext, den sie kennen: Bei Psalm 118, um genau zu sein. Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn.“  Wir segnen den, der von Haus des Herren ist.“, geht es dann weiter.
Und ganz beachtlich heißt es danach: Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“
Das klingt verdächtig nach Weihnachten. Und genau das will Lukas auch sagen! Der, der Frieden bringt, der wird nicht später kommen. Hier und jetzt ist er da. Himmel und Erde küssen sich jetzt: in Christus. Er ist unser König. Ihm wollen wir dienen. Solches Singen war gefährlich und es bleibt gefährlich. Nicht wegen Corona. Denn so ein Lied stellt den Status Quo auf den Kopf. Nicht das Jerusalemer Establishment, die Führungs-Klicke aus Hohenpriestern und korrupter römischer Macht verdient Ehre und Lob. Auch nicht der religiöse Kultbetrieb, die Gottesdienst-Maschine am Tempel sind heilig. Sondern ER, der Christus. Der Arme-Leute-Messias. DER, der Kranke heilt und Hungrige speist. Sie haben es erlebt und sind dabei gewesen, als ER gehandelt hat. Im Namen des Gottes Israels, der von jeher Gefangene aus der Knechtschaft befreit.
Wer solche Töne anschlägt, sollte sich des Risikos bewusst sein. Denn es sind Töne, die schon einmal Mauern ins Wanken gebracht haben. Er erzeugt auch eine sehr eigenwillige, ganz bestimmte Resonanz:  Bei den Menschen, die noch mit Gott und seiner Nähe rechnen. Und die darauf warten, dass ER endlich Recht und Frieden bringt.
Die Gruppe der Pharisäer, die dazwischengehen, haben das wohl sehr genau gespürt. Nicht, weil sie was dagegen hätten. Im Gegenteil! Auch sie warten darauf, voll Sehnsucht und Hoffung. Sie können es sich nur noch nicht vorstellen, dass es so beginnt: mit diesem Rabbi aus Nazareth. Dass Gott so nah sein soll, dass Gott sich so weit runter wagt, unter die Menschen, von Krippe und Stall bis in den Sündenpfuhl Jerusalem.
Rabbi, sag doch deinen Jüngern, dass sie besser damit aufhören!“ Ihr Rat ist gut gemeint. „Jesus, versteh es als Warnung! Lass deine Leute nicht solche Lieder singen. Jedenfalls nicht hier, wo es jene hören, die am Ruder sind. Denn wer hier zu laut zu ungewohnte Lieder singt, der wird zum Schweigen gebracht. Du weißt das, Jesus!  Denk an die Propheten…“ Doch Jesus schlägt die Warnung aus. Er weiß, auf welchem Weg er ist. Warum er auf diesem heißen Pflaster steht, in Jerusalem. Es geht ans Kreuz, und da spielt ohnehin eine andere Musik.
Im nächsten Vers, den Lukas erzählt - er steht nicht mehr in unserm Predigtwort - fängt dann auch Jesus an zu singen. Er stimmt ein Klagelied an über Jerusalem, das er liebt ER singt und weint, weil der bittere Weg bis hierher nötig ist, und weil so viele die Einladung Gottes ausschlagen. Weil sie härter bleiben werden als die Steine, von denen es in Jerusalem wahrlich genügend gibt. Eher schreien die Steine, als dass sich Gott verbergen lässt. Auch Steine werden zu klingen anfangen. Damit spielt Lukas auf das Schicksal Jerusalems an, das von den Römern wenige Jahre darauf zerstört worden ist.
Was für ein Abschnitt wird uns da zugemutet, am Sonntag Kantate! Dem Singe-Sonntag der Kirche! Dass er nicht so ist wie immer, das tut ihm und uns vielleicht sogar gut. Denn es stellt sich die Frage, warum wir singen sollen. Für wen, und wovon.
Viele Jahre habe ich selber in Kurrende und im Kirchenchor mitgesungen. Kantate war immer Hochbetrieb! Alles, was singen und klingen konnte, wurde aufgeboten. Mit Pauken und Trompeten. Auf Klangholz und Blech. Fast schien es, Kantate sei – wie damals un der DDR üblich – so etwas wie der „Tag der verdienstvollen Ehrenamtlichen in der Kirchenmusik“. Die Bläser-Abzeichen und das Dankeschön gab's im Anschluss.
Sarkastischen Unterton habe ich auch schon zu Kantate gehört. Von unzufriedenen Kirchvorstehern oder von spitzfindigen Pfarrern. „Singet dem Herrn ein neues Lied!“ heißt es im Psalm. Ein Neues…!?!, mit scheelem Bilick hinauf zur Orgel... Kantate als Abrechnung jener, die mit Liedgut und Musikauswahl nicht zufrieden waren.
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Nun haben wir den Salat. Kantate 2020. Den Salat aus Hygiene-Vorschriften und sicher auch mancher vorauseilender Vorkehrung. Was wird nun aus unserem Singen?
Wir lassen uns das Singen nicht verbieten, das Singen nicht und nicht die Fröhlichkeit...“
Das wird nicht reichen, jedenfalls nicht unter dem Brennglas unseres Predigtwortes, das uns auch unbequeme Fragen stellt: Warum singen wir?  Für wen? Und wovon? Singen wir, „damit die Zeit erfüllt werde“ - bis gegen 11? Oder deshab, weil wir sonst platzen würden vor Hoffnung und Freude, oder vor Trauer und Schmerz? Weil uns sonst das Herz überläuft? Dann raus damit! In der Kirche, aber auch anderswo, im Freien und Zuhaus.
Für wen singen wir? Für uns selbst? Das ist o.k.!  Für unsern kranken Nachbarn auch? Das muss nicht bloß hier, in der Kirche sein. Der Familientisch und die Wiese vorm Altenheim tun 's auch und sind in diesen Tagen gute Plätze für Gesang.
Singen wir für Gott?  Die Jünger im Abschnitt tun es, aber sie tun es nicht drinnen, hinter Mauern und verschlossner Tür. Sie tun es da, wo sie Gott erlebt haben. Nahe den Menschen, an denen Gott gehandelt hat. Damit diese es hören, die Töne ins Schwingen kommen, eine Resonanz auslösen. Bei denen, die auch noch Hoffnung haben, aber sich bis jetzt nicht trauen. Ich denke, da gibt es viel zu lernen.
Schließlich: Wovon singen wir? Die Jünger singen von der Freiheit, die Gott geschenkt hat. Nicht von früheren Zeiten, wo alles besser war wie jetzt - „in dieser glaubensschwachen Zeit“. Sie singen nicht zum Kultbetrieb im Tempel, zum Gottesdienst am Feiertag. Sie singen davon, wie es sich anfühlt, wenn Gott da ist, wirklich da ist. Hier und jetzt. Auch dazu braucht' s nicht unbedingt eine Kirche. Denn das wäre ja ein bisschen wenig. Wenn Gott nur hier wäre im Gemäuer für ein paar Minuten pro Woche.
Zum Singen braucht es nicht nur Hals und Stimme. Was da eigentlich singt, ist mit dem  altem Wort „die Seele“ beschrieben. Wenn die nicht singen will und kann, dann braucht es auch nicht Mund und Lippen.
Im jüdischen Talmud sagen die Frommen: „Lobt Gott mit allen Gliedern.“ Und sie haben dabei 248 Glieder gezählt. Vom Finger übers Ohrläppchen, dem Bauchnabel bis hinunter zum kleinen Zeh.
Und: „Die Frommen sollen singen in der Not!“ Wenn ihnen das Wasser buchstäblich bis zum Halse steht: Am Schilfmeer in Ägypten. An Babylons Flüssen unter Tränen. Im Bauch von Jonas Fisch. Sogar beim Sterben, wenn es heißt: „Eli lema asabthani?“
All das waren Orte, an denen die Frommen all ihre 248 Glieder brauchten, um einstimmen zu können in den großen Lobgesang auf ihren Gott und Herrn. Wenn du da nur auf die Lippen, auf deine Stimme setzt, wirst du kaum Töne finden. Dann braucht's den ganzen Kerl, die ganze Frau, um Gott dein Lied zu singen.
Solches Singen lässt sich dann tatsächlich niemals mehr verbieten. Weil man einen ganzen Menschen, der in Gott klingt, nicht verbieten kann. Du kannst ihn kreuzigen und ins Grab legen. Aber auch dort lässt sich das Lied des Lebens nicht den Mund verbieten. Von dort her kommt uns noch eine ganz andere Musik. Wir werden staunen! Und diese Musik wird bleiben. 
Amen.

Predigtlied: Der Dichter des Liedes „Du, meine Seele, singe“ (EG 302) hat davon gewusst. Ich lese die ersten beiden Strophen. Dann hören wir eine Bearbeitung von der Orgel und lesen in der Stille mit.

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