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Predigt über Numeri 6, 22-27 zu Trinitatis, Johanniskirche & Auenkirche, am  6.+ 7.6.2020
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Predigt über Numeri 6, 22-27 zu Trinitatis, Johanniskirche & Auenkirche, am 6.+ 7.6.2020

Predigt vom 07.06.20 (Pfarrer Frank Bohne)

Liebe Gemeinde!
Das Predigtwort für heute ist Ihnen vertraut. Sie haben es schon unzählige Male gehört. Es ist das Segenswort, das viele Pfarrer sonntags der stehenden Gemeinde am Ende des Gottesdienstes zusingen.
Wir hören die Verse aus dem 4. Mosebuch im 6. Kapitel, Verse 22-27
Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
Der HERR segne dich und behüte dich;
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.

Mit diesem Segen ziehen Woche für Woche Menschen getröstet und gestärkt in ihren Alltag.Ich muss zugeben, ich verwende dieses Segenswort nur selten. Das hat zwei Gründe: Einmal liegt das an seiner Länge. Denn wenn ich mich Ihnen zum Segen zuwende, dann bin ich bis heute, auch in meinem zweiundzwanzigsten Dienstjahr, immer noch aufgeregt. Und der gesungene Vers ist lang, das Risiko sich zu verhaspeln also groß!
Das Gottesdienstbuch hält ja noch die Möglichkeit offen, Ihnen den Segen im Namen der Heiligen Dreieinigkeit,also im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, zuzusprechen. Immerhin ist das der Segen der Alten Kirche gewesen, also bald 2000 Jahre alt. Und die meisten Kirchen in der Ökumene verwenden ausschließlich diesen!
Der zweite Grund für mein Zögern hängt mit unserem Abschnitt selbst zusammen:
Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig...

Mit diesen Worten haben die Priester im jüdischen Tempel das Gottesvolk über Jahrhunderte gesegnet. Und mit denselben Worten beschließt bis heute auch jeder Rabbi den jüdischen Gottesdienst in einer Synagoge. Erst Luther holte diesen Segen um 1530 in den evangelischen Gottesdienst. Und manchmal kommen mir dann Zweifel, ob dieser Segen tatsächlich der bessere ist, grade auch vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte.
Der Abschnitt mit dem Segenswort steht im Alten Testament an herausgehobener Stelle. Über viele Kapitel wurde dem Gottesvolk vorher gesagt, wie es zu leben hat: Opfervorschriften werden eingeschärft. Unmittelbar vor unserm Predigtwort geht es ums Verhalten bei Eifersucht, danach wird den Umgang mit Versprechen geregelt, die ich vor Gott abgeben will. Dann sind Gottes Weisungen und Gebote zum Abschluß gekommen. Das letzte, was dann noch überliefert wird, ist der Priesterliche Segen, den der Mose-Bruder Aaron mit seinen Nachkommen verwalten soll. Sie als die Priester im Volk werden auf die Einhaltung all dieser Vorschriften achten. Werden segnen, wenn sie erfüllt sind, und werden diesen Segen verweigern, wenn Gottes Recht gebrochen wird. Als letzte Anweisung legt Gott sogar selbst auch noch den Wortlaut fest, wie die Aaroniten dem Volk als „Segnende von Beruf“ gegenübertreten sollen.
Weil wir diese biblischen Worte gut kennen, vielleicht zu gut, so dass wir einzelne schon wieder überhören, deshalb habe ich Ihnen die Verse auf einem kleinen Zettel aufgeschrieben.
Ich bitte Sie, sich den Segen jetzt einmal genau anzuschauen.

                

Ich habe versucht, die hebräischen Verse durch das Schriftbild nachzuahmen: Jedes kleine Kästchen steht für ein eigenes Wort im Hebräischen Text. Dabei wird eine klare Form deutlich, die wir im Deutschen nicht mehr hören können. Die Hebräer können nämlich Dinge zu einem Wort zusammenfassen, für die wir gleich mehrere Worte brauchen.
Wenn Sie sich die Zeilen anschauen, dann entdecken Sie, wie klar der Segen in drei Zeilen gegliedert ist. Die erste besteht aus drei Worten, die zweite aus fünf, und die dritte Zeile aus sieben Worten. Das ist kein Zufall. Mit jeder Zeile wächst der Segen, wie ein Gefüge aus Stufen bei einer Treppe. Aus der Dreizahl wird in der letzten Zeile die Zahl Sieben, die Zahl der Fülle und Vollkommenheit.
Aber auch in jeder einzelnen Zeile ergibt sich ein klares Bild: Jede Zeile besteht für sich immer aus drei Teilen. Ganz gleich, aus wieviel Worten sie besteht. Der erste Teil bleibt immer gleich: Es ist das Wort: „Der Herr“. Wie eine Art Absender steht es am Beginn. Da braucht nichts verziert und verschnörkelt zu werden: Gott ist und bleibt der Geber allen Segens. Der zweite und dritte Teil sind dann der Inhalt des Segens. Jede Zeile hat zwei Hälften. Wir erkennen sie im Deutschen an dem Wort „und“. Genau da, in diesen zwei Hälften jeder Zeile, wächst der Segen, bis er die Zahl „7“ erreicht. Die Zahl der Vollkommenheit, die kennt jeder Israelit von Kindesbeinen an: In 7 Tagen schuf Gott Himmel und Erde. Der 7. Tag, der Sabbat, ist Gott und den Menschen darum heilig. In diese Fülle und Vollkommenheit fügt sich auch das Segenswort ein. Wie 3 Kreise, die sich um eine Mitte legen, wie die Blütenblätter einer Blume. Die Menschen, zu denen er gesprochen wird, sie werden davon eingehüllt.
Der Herr segne und behüte dich.
Das ist der innere Kreis und meint: Gott nimmt dich als einzelnen Menschen ernst. Du bist ihm wichtig. Gott begleitet dich, schützt dich vor Gefahr.
Danach der zweite Kreis:
Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Das bedeutet: Dein Verhältnis zu Gott kommt in Ordnung. Nicht, weil du selber so ein toller Hecht bist, sondern weil Gott sich dir in Liebe zuwendet. Gott tut den ersten Schritt. Er will dir gnädig sein. Jeder Mensch kennt das aus seinem eigenen Erleben: Wenn mir ein anderer begegnet und mich nicht ansieht, wenn sich Blicke ausweichen, dann ist etwas zwischen ihnen nicht in Ordnung. Dann ist die Beziehung gestört. Wo aber Vertrauen besteht, wo Menschen versöhnt miteinander leben, dort kann der Blick auch frei und fröhlich in das Gesicht des anderen blicken. Dieses Bild wird in unserer 2. Zeile nun für Gott gebraucht. Gott sieht dich fröhlich an. Du bist sein Geschöpf, eine Freude in seinen Augen. Lass deinen Blick deshalb nicht sinken, sondern schau Gott an.
Der dritte Kreis, die 3. Zeile fasst beides zusammen und ist doch noch viel mehr:
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich ...
Das klingt fast, als habe Gott Mühe, die Last seines Angesichts nach oben zu heben. Das mag tatsächlich so gedacht sein, denn für den frommen Juden liegen in Gottes Angesicht lauter Glanz und Herrlichkeit, dort liegt der Inbegriff aller Schönheit zusammengefasst. Gottes Herrlichkeit ist von Gewicht. Der neu gebaute Tempel in Jerusalem wird deshalb anfangen zu rumpeln, wenn Gottes Herrlichkeit in ihn einzieht. Vor Gottes Herrlichkeit zerspringen die Felsen und bebt die Erde, als der Prophet Elija zum Gottesberg kommt. Und diese Herrlichkeit färbt ab: Als Mose und die Ältesten mit Gott gesprochen haben, glänzt ihr Haupt noch tagelang! Etwas von diesem Schwergewicht legt sich beim Segen auch auf die Gesegneten.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Diese Schönheit Gottes, die Gesegnete erfahren, hat dann Folgen. Die Bibel um-schreibt diese Fülle mit dem Wort „Frieden“. Schalom. Dieser Schalom ist aber mehr als nur „gut Wetter“ mit meinen Freunden. Er ist auch mehr als nur Waffenstillstand mit meinen Feinden. Der Friede Gottes umfasst Mensch und Natur. Den Einzelnen und die Gesellschaft. Schalom bedeutet Einklang mit dir selbst und mit deinem Nächsten. Solcher Frieden umschließt dich in deinem stillen Kämmerlein, und er ist zugleich ein hoch politischer Begriff. Solcher Friede beginnt, wo Gott segnet. Wer sich von IHM segnen lässt, der beginnt schon jetzt in ihm zu leben.
In einem Segenslied im Gesangbuch (EG 170) wird dieser Friede deshalb so besungen:
Frieden gabst du schon, Frieden muss noch werden,
wie du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden.
Hilf, dass wir ihn tun, wo wir ihn erspähen,
die mit Tränen säen, werden in ihm ruh’n.“

Segen, der sich um den einzelnen Menschen legt und zu wachsen beginnt, Segen, der schützt und zugleich Kräfte freisetzt, das ist das Thema in unserem heutigen Predigtwort.
Wie sieht es aber aus mit dem Segen in unseren Tagen? Mit den Konfirmanden spreche ich jedes Jahr auch über den Segen. Wo begegnet uns noch der Segen in unserem Alltag? Meist drehen sich die Antworten dann um die Kirche: Segen, den gibt‘ s bei Failienfesten in der Kirche, und natürlich beim Gottesdienst. Auch in Gruppen und Kreisen wird viel gesegnet. Ich bin mir sicher, was die Jugendlichen da beschreiben, das unterscheidet sich gar nicht so sehr vom Denken der Älteren. Doch wenn das stimmt, dann steckt der Segen wirklich in einer Krise! Wer Segen nur in der privaten Ecke, oder gar nur in der frommen Nische sucht, der hat nichts verstanden vom Segen in der Bibel. Dort wird nämlich munter drauf los gesegnet: Alles, was Menschen zum Leben brauchen, das kann und muss gesegnet werden. Wenn man überlegt, woraus nun der Segen Gottes in unserem Leben besteht, dann kommt man rasch auf zwei Bereiche: Da ist der äußerliche, materielle Segen - für Leib und Leben. Und da ist der innerliche Segen - für unsere Seele. Der materielle Segen beginnt beim Brot, das ich am Backshop kaufe. Er reicht von der Frühstücksmarmelade bis zum Döner, den ich mittags klemme, vom Sonntagskompott bis zum Weihnachtsbraten in der Röhre. Materieller Segen, das sind auch Omas Kreis-lauftabletten und das Balsam für die Beine. Der Grund, auf dem das Häuschen steht und das Auto in der Garage. Bestimmt fallen Ihnen jetzt noch ganz andere Dinge ein, die Sie zum Leben brauchen.
Und der ideelle, innerliche Segen, das wäre zum Beispiel eine Ehe. Wenn einer dem andern nach Jahrzehnten noch nicht „schnurz“ geworden ist. Eine erfüllte Partnerschaft an Tisch und Bett.
Ein Haussegen, der nicht mehr schief hängt. Wo sich jung und alt unter einem Dach vertragen. Eine Nachbarschaft, wo du kommen kannst, auch wenn‘s dir dreckig geht. Wo man sich überm Gartenzaun herzlich grüßt, statt übereinander herzuziehen. Bestimmt fallen Ihnen auch da noch Sachen ein, die gut passen würden in Gottes Segen.
An den bunten Beispielen können wir entdecken, was es heißt, wenn wir uns zum Geburtstag so selbstverständlich „Gottes Segen“ wünschen: Wir leben davon, verbringen unter diesem Segen unsere Tage. Gottes Segen ist nichts Mystisches, das mit Worten oder Gesten wie ein Bann auf Menschen oder Dinge gelegt wird. Gottes Segen hält und lässt uns leben. ER handelt stetig an uns, begleitet uns. Am meisten da, wo wir es nicht einmal vermuten.
Und umgekehrt können wir keinen Teil unseres Alltags heraus lösen und sagen: Das hier ist Gottes Segen, und das ist er nicht. Hier brauche ich ihn. Und da wieder nicht. Das wäre wie: Einen Baustein aus der sorgsam gefügten Segenstreppe auf ihren Zetteln heraus klauben. Die Treppe würde unweigerlich zusammenstürzen. So ist das auch mit Gottes Segen: Wir bekommen ihn nur im Ganzen. Für uns und unseren Mitmenschen. Für unser stilles Kämmerlein und für die große Welt.
SEIN Segen zielt darauf ab, uns und unsere Welt zu verändern.
Und der Friede Gottes bewahre uns in diesem Segen!
Amen.

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Pfarrer Frank Bohne
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