Predigt zum Markkleeberger Stadtfest über "Musik macht frei, froh und fromm" auf der Bühne Rathausplatz
Predigt vom 04.05.14 (Pfarrer Dr. Arndt Haubold)
„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder… „, ist unser Motto. Ja, wo singt man denn noch? Im Kindergarten - und in der Kirche! Aber kaum mehr bei der Arbeit – im Großraumbüro würde es stören - kaum mehr beim Wandern – da muss man sich ja auf Kopfhörer und GPS konzentrieren – nicht mehr am Lagerfeuer – da brennt das Grillgut an – nicht mehr auf dem Kasernenhof – Männer schämen sich heute grundsätzlich, zu singen – nicht mehr vor dem Fenster der Geliebten – die Liebeserklärung geschieht heute per Mausklick. „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder…“ Im Kindergarten warst du schon – bleibt dir noch die Kirche!
„Singen macht frei, froh und fromm!“ Zwar kein Bibelwort, aber getränkt von biblischen Inhalten. Singen macht frei… In der Zeit der verkniffenen Gesichter war das öffentliche Singen immer ein Akt der Befreiung, der die Mächtigen verunsicherte. „Die Gedanken sind frei“ auf dem Zeltplatz zur Gitarre gesungen, hatte etwas Vorrevolutionäres. Auch der Reformationschoral „Wach auf, wach auf, du deutsches Land“ von Johann Walter hatte im Gottesdienst immer etwas von einer geistlichen Marseillaise und rüttelte an der Zwei-deutsche-Staaten-Doktrin der DDR. Als Theologiestudent in Naumburg erlebte ich folgendes: Es wurden unter den Studentinnen Fensterputzer gesucht für das Seminargebäude am Domplatz. Sofort meldete ich mich gemeinsam mit meinem besten Freund. Etwas misstrauisch nahm der Rektor das männliche Angebot an, aber wir hatten wirklich Lust, uns damit etwas Geld zu verdienen, und waren durch langjährige Internatserfahrung perfekte Fensterputzer. Wir putzten also die weit geöffneten Fenster am Domplatz – und sangen dabei aus Leibeskräften alte deutsche Volkslieder – ein Bus mit Domtouristen blieb unten stehen, alle lauschten und erlebten ein Stück DDR einmal ganz anders… So ähnlich erzählen es die Alten vom Kirchentag in Leipzig 1954, als Christen in der Straßenbahn Choräle trällerten. Singen macht frei. Auch heute noch – probier es einfach mal! Stimme ein Lied an bei der Verkehrskontrolle oder wenn der Steuerfahnder kommt, singe deine Antwort bei der mündlichen Abiturprüfung, vertreibe den Einbrecher mit einem Lied auf den Lippen… Singen macht frei.
Singen macht froh. Manchmal habe ich schlechte Laune. Wenn dann meine Enkelin ein Lied durchs Haus trällert, wird mir ganz anders zumute. Mit „froh“ meine ich nicht unbedingt bierselig, obwohl das am Himmelfahrtstag auch geschehen kann. „Froh“ zu werden heißt einfach, aus der Einsamkeit in die Gemeinschaft einzutreten. Nach der Last der täglichen Arbeit im Chor gemeinsam einzustimmen, macht einfach froh. Froh zu werden, heißt auch, seine Traurigkeit zu besiegen. Als unser früherer Vikar Alexander Sorger vor einigen Monaten an einer schweren Krankheit verstorben war – ein junger Mann und Familienvater – saßen wir in großer Trauergemeinde in seiner Kirche und sangen sehr schöne Lieder, wie er es zu Lebzeiten geliebt hatte. Dieses Singen hat uns wirklich froh gemacht – es hat uns getröstet und Hoffnung gegeben, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Darum laden wir bei jeder kirchlichen Trauerfeier die Gemeinde zum Singen ein! Vor kurzem stimmte eine Trauergemeinde auf dem Friedhof spontan „Christ ist erstanden“ an. Das war sehr eindrucksvoll. Singen macht froh.
Singen macht fromm. Ich kenne Menschen, die nach eigenen Angaben nicht gläubig sind, aber sie singen im Kirchenchor mit oder bei den Thomanern. Jahrelang singen sie geistliche Lieder, biblische Texte und irgendwas von Gott – und mit der Zeit ergreift sie der Inhalt doch und sie finden es gar nicht mehr so blöd. Sie lernen singend glauben oder erkennen wenigstens, dass sie im Innern schon von religiösen Inhalten angerührt worden sind. Beim Singen tauchst du ein in eine andere Sphäre. Du singst nicht mit dem Kopf allein, sondern mit dem Körper. Glaube ist nicht nur eine Denkweise, sondern eine Atemübung mit Gefühl. Singe „Dona nobis pacem“, und du bist schon an der Himmelpforte. Man kann sogar mit Singen die Gebetsverächter verführen. Ein Tischgebet sprechen – das ist mir doch zu fromm. Aber einen Kanon singen – da mach ich mit. „Danket, danket dem Herrn…“ Liebe geht durch den Magen, Glaube geht durch den Kehlkopf. Singen macht fromm.
Singen macht froh, singen macht frei.
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