Neujahrsgruß

Das Motiv wird vom Verlag am Birnbach - Motiv von Stefanie Bahlinger, Mössingen - zur Verfügung gestellt.
Ein Epiphaniasbrief
„Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.“
Liebe Geschwister in der Gemeinde!
Wie lange geht für Sie Weihnachten? Haben Sie die ersten Dinge schon abdekoriert?
Kurz nach Neujahr finden sich oft die ersten Weihnachtsbäume neben Mülltonnen, die Lichter in den Fenstern verschwinden nach und nach. Dabei haben wir in der rund sechs-wöchigen Adventszeit gerade auf dieses Fest des Lichtes so zugelebt. Wie schade!
Schaut man genauer hin, haben viele Leute ihr „weihnachtliches Pulver“ sogar schon am Heiligabend „verschossen“. Wenn sich da keine passende Stimmung einstellt, ist für sie Weihnachten gelaufen. Das ständige Vor-Verlegen des Festes betrifft eben nicht nur den Handel, bei dem wir uns über Pfeffer-kuchen im September aufgeregt haben. Die eigene Schieflage geschieht fast unbemerkt.
Was helfen kann, das schönste aller Feste zu entschleunigen, sind der gute alte Kalender und das Kirchenjahr. Ältere Leute – erst recht, wenn sie ländlich und bäuerlich gelebt haben – sprachen von den „zwölf heiligen Nächten“. Die Arbeit blieb liegen. Mensch und Tier ruhten aus. Profane Arbeiten wie Haareschneiden und Wäschewaschen wurden als Unglück-bringend unterlassen. Ein Aberglaube? Eher die Sorge, sich mit Belanglosem zu verzetteln! Denn das Wesentliche war die Menschwerdung Gottes. Und die lässt sich nicht in ein paar Stunden ausklingender Adventszeit – dem Heiligabend – erhaschen. Dazu braucht es genügend Zeit, aber auch verschiedene Blickwinkel.
Dreifach wird die Weihnachts-Botschaft entfaltet: als Christvesper, als Christnacht und als Christtag. Dreimal geht man in die Kirche. Die Vesper betont die Verkündigung der Engel: „Fürchtet euch nicht! Der Heiland ist geboren, Friede für euch!“. Die Christnacht erzählt vom Aufbruch der Hirten und ihrem glücklichen Finden, dem Kind in der Krippe. Der Morgen des 25. Dezember steht dann ganz unter der Freude und dem Lob, und zwar von Maria und Josef, wie auch den Hirten. Denn diese breiten die frohe Kunde aus. Drei Akzente, drei ganz verschiedene Gottesdienste.
Nach diesen Gottesdiensten waren die „Begleiter Christi“ an der Reihe: ihrer wurde am 26., 27.+ 28. Dezember gedacht. „Commilites Christi“ - Mitkämpfer Jesu - das waren der Erzmärtyrer Stephanus, der Evangelist Johannes und jene unschuldigen Kinder, die Herodes in blinder Wut in Bethlehem hat töten lassen. Mit der Weihnachtsbotschaft fest verbunden ist damit auch ihr Preis: Wer sich dem menschgewordenen Gott anvertraut und ihn bezeugt, der wird dafür auch leiden, Opfer bringen müssen. Weihnachten ist so nicht mehr nur lieblich-freundlich, sondern hat auch eine raue, gefährliche Seite: „mitten im kalten Winter...“ wie es im Liede heißt.
Leider hat Kirche in den letzten hundert Jahren nicht gerade zur Klarheit beigetragen, indem sie von Heiligabend bis Jahreswechsel „nonstop“ immer nur die Christgeburt durchfeiert, Krippenspiele und Bach'sche Chorsätze wiederholt. Das ist langweilig, flach und viel zu wenig.
Aber selbst mit den 3 Christgeburts-Gottesdiensten und den 3 Begleitern sind wir mit Weihnachten noch nicht fertig. Es gibt noch einen dritten „Dreier“ - typisch Kirche: Denn wenn das Christ-Kind da ist, sich seine Begleiter eingestellt haben, bleibt die Frage: Wohin mit IHM?
Die Evangelien formulieren drei Kreise, wo Jesus hingehört: in den Kreis der eigenen Familie, in sein jüdisches Volk, und dann auch mitten in die Welt. Der Sonntag nach Weihnachten, „Heilige Familie“ genannt, erzählt vom ersten Sachverhalt: Jesus als Mensch ist Kind seiner Eltern. Die Beschneidung und Namensgebung Jesu am Neujahrstag bindet ihn fest an sein Volk Israel. Die Ankunft der drei Weisen am Epiphaniastag – ob nun als sternenkundige Gelehrte oder Könige, es läuft auf dasselbe hinaus – unterstreicht das Dritte: die Welt kommt zu IHM, und ER zur Welt.
So ergibt sich von Heiligabend bis Dreikönig ein atemberaubender Bogen: Gott kommt zu uns, und wir zu ihm. Deshalb ist es Unsinn, nur Heiligabend zu feiern und auf das Übrige zu verzichten, es zu vergessen und Weihnachten schnell beiseite zu räumen. Es spiegelt eine gefährlich oberflächliche Schieflage unserer Zeit: „Gott mag zwar kommen, uns beschenken - aber keiner macht sich auf und kommt zu ihm…“
Selbst wenn die „engere Weihnachtszeit“ am 6. Januar dann zu Ende geht, ist noch nicht alles vorbei. Was bleibt, ist der helle Schein von Gottes Gegenwart. Das Weihnachtslicht, der Stern, der bis zu Maria Lichtmess am 2. Februar in unsern Stuben leuchtet. Epiphaniaszeit, das ist die Zeit des Aufscheinens der Liebe Gottes. Wie diese Liebe zu leuchten anfängt, hören wir in den Lesungen der Sonntage im Januar: Jesus wird im Jordan getauft und gibt uns so ein Beispiel. Der Wein zum Hochzeitsfest in Kana wird wundersam vermehrt, denn wie könnte die Freude aufhören, wenn ER da ist. Kranke werden heil: beim Hauptmann zu Kapernaum. Und wer schon tiefer blickt, der sieht den verklärten Jesus auf dem Berge Tabor. So weit reicht Weihnachten, auch im neuen Jahr 2021.
„Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.“
In der Situation, mit der wir seit fast einem Jahr leben müssen, ist mir eins der jüngeren Weihnachtslieder besonders nahe gekommen. Jochen Klepper, der schlesische Schriftsteller, hat es 1938 gedichtet: „Die Nacht ist vorgedrungen“. Sie können es im Gesangbuch unter Nr. 16 lesen. Ich weiß: jene dunkle Zeit für den Dichter und seine Familie ist in keiner Weise vergleichbar mit den Umständen, unter denen wir zur Zeit leben. Wir haben mehr als genug, wir sind versorgt und leben unverdient in einem der freiesten Länder dieser Erde. Und doch: Kleppers Zeilen machen mir Mut auch für die Situation, unter der wir derzeit leiden. Viele spüren die Einschränkung ihrer Wünsche und Gewohnheiten. Wir sorgen uns um Alte, Kranke und Schwache. Die wirtschaftliche Zukunft der kommenden Jahre macht Sorgen. Doch ich glaube und vertraue: Wir bleiben damit nicht allein. Unser Gott begleitet uns. Das Licht seiner Gegenwart ist zu Weihnachten sichtbar geworden. Wir werden IHN brauchen, um heil durchzukommen. Als Einzelne, als Kirche und Gemeinde, auch als Gesellschaft.
Halten wir Gottes hellen Schein sichtbar so lange fest, wie es Kalender und Kirchen-jahr vorschlagen, denn es tut uns gut. Nussknacker und Räuchermann mögen schon mal auf den Boden wandern, auch die Pyramide und der Engel-Chor. Der Stern aber und die Lichter im Fenster, die bleiben, so lange es geht. Denn ER ist unser Licht.
Eine gesegnete Epiphaniaszeit wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Frank Bohne
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