Gemeindebeitrag Ja - Kirchensteuer Nein?
(Brief an eine "fiktive" Frau Müller)
Liebe Frau Müller!
Sie haben mir mitgeteilt, dass Sie aus der Kirche ausgetreten sind, weil ihnen die Kirchensteuer zu hoch ist, dass Sie aber in unserer Gemeinde bleiben und auch gern weiter Ihren Gemeindebeitrag zahlen wollen. Ihr Vertrauen in unsere Gemeinde freut mich natürlich - aber Ihr Austritt aus der Kirche hat nachteilige Konsequenzen für uns, an die Sie bestimmt nicht gedacht haben.
Denn wir sind keine rechtlich selbständige Gemeinde, sondern ein Teil der Landeskirche, und das hat für uns erhebliche Vorteile. Die Gehälter aller Pfarrer, Kantoren, Gemeindepädagogen - auch in unserer Gemeinde - und vieler Fachleute, die im Dienst der Kirche arbeiten, werden aus der Landeskirchensteuer bezahlt. Auch die kostspielige Ausbildung der Mitarbeiter, die für einen qualifizierten Dienst der Kirche wichtig ist, kommt aus diesem Topf. Für unsere Kirchenrenovierung in den letzten Jahren und für die Einrichtung der neuen Kindertagesstätte haben wir aus der Landeskirchensteuer erhebliche Zuschüsse erhalten und rechnen damit auch bei der Orgelerneuerung in den nächsten Jahren. Pro Kopf erhalten wir für jedes Gemeindemitglied von der Landeskirche Zuschüsse aus der Kirchensteuer zurück, auch für Kinder, Rentner und sozial Schwache. Wir sind auch froh, dass wir einen Bischof und eine Synode haben, die unsere Kirche leiten und öffentlich vertreten - viel sparsamer übrigens als Bund, Länder und Kommunen. Auch die öffentliche Arbeit der Kirche kann nur mit Hilfe der Kirchensteuer gewährleistet werden: Ich denke an Gefängnis- und Krankenhausseelsorge, an Gottesdienste im Fernsehen, an Kirchentage und Studentengemeinden. Nicht zuletzt wird aus der Landeskirchensteuer die ökumenische Zusammenarbeit der Kirchen in der Welt und kirchliche Entwicklungshilfe für die Kirchen in ärmeren Ländern geleistet. Das alles sind wichtige Aufgaben, die unsere Kirchgemeinde aus den Kirchgemeindebeiträgen und freiwilligen Spenden allein nicht leisten könnte. Wenn Sie nur noch unsere Gemeinde finanziell unterstützen und nichts mehr für die Landeskirche geben wollen, schaden Sie damit auch unserer Gemeinde. Wir verlieren Ihren finanziellen Anteil an diesen Aufgaben, und Sie tragen zum Abbau von weiteren Pfarrstellen bei.
Ich glaube gar nicht, dass Sie Ihre Gemeinde ohne Pfarrer und Kantor haben möchten und dass Sie das alles, was ich aufgeführt habe, für sinnlos halten - ich denke vielmehr, dass Ihnen diese Zusammenhänge nicht bewusst gewesen sind.
Die Kirchensteuer ist ein ziemlich gerechtes und soziales Finanzierungssystem wie z. B. die Kranken- und Rentenversicherung. Die Starken tragen durch ihre höheren Beiträge die Schwachen mit. Das halte ich als Pfarrer auch für christlich! Wer gut verdient, dass er gute Kirchensteuer zahlen kann, darf Gott danken, dass er ihn so reich segnet!
Ich möchte Sie nicht kränken und auch nicht verlieren - aber Ihre Entscheidung allein für unsere Gemeinde und gegen unsere Kirche ist zugleich eine Entscheidung gegen unsere Gemeinde.
Ich wäre sehr froh, wenn Sie Ihre Entscheidung deshalb noch einmal überdenken und vielleicht rückgängig machen könnten. Sollten Sie aber Fragen zu unseren kirchlichen Finanzen haben oder Bedenken, dass Ihre Kirchensteuer nicht vernünftig eingesetzt wird, stehe ich Ihnen zum Gespräch gern zur Verfügung. Als Mitglied der Landessynode bin ich darüber gut informiert.
Auch lade ich Sie herzlich zu unserer jährlichen Kirchgemeindeversammlung ein. Bei dieser Gelegenheit legt der Kirchenvorstand Rechenschaft auch über die Finanzen in unserer Gemeinde ab.
Eigentlich wollte ich Ihnen nur schreiben, dass wir traurig sind, Sie zu verlieren und Ihre Entscheidung so nicht akzeptieren können. Zur Erklärung waren aber doch einige Sätze mehr notwendig.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Pfarrer Dr. A. Haubold
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