Glaube als Rezept?

Zuerst brennt nur eine einzige Kerze - bei der Andacht zum Sternaufzug am 1. Advent ebenso wie bei der Ostermette in der dunklen Kirche. Dann wird das Licht weitergegeben vom einen zum andern, bis der ganze Kirchhof, die ganze Kirche vom Licht vieler Kerzen strahlt. Die Weitergabe des Lichtes ist eine symbolische Handlung: Was Gott mir schenkt, behalte ich nicht für mich allein, sondern reiche es weiter und teile es mit anderen. Das gilt nicht nur für das Kerzenlicht an Feiertagen. Es gilt für die mir von Gott geschenkten Gaben, die er mir mit den Worten "bitte weitergeben!" anvertraut hat. Ich bringe meine beruflichen Gaben und meine Talente in das Gemeindeleben ein. Es gilt auch für das Geld und Gut, das mir Gott anvertraut hat. Natürlich dientes meinem Lebensunterhalt. Aber für einen Teil gilt immer Gottes "bitte weitergeben!", und deshalb sind Christen gebefreudige Menschen. Ich staune oft, wie viel manche am Sonntag oder bei besonderen Sammlungen als Dankopfer weitergeben. "Bitte weitergeben!" - das gilt auch für unsere Lebenserfahrungen.

Noch lebt unter uns eine Generation, die zwei Weltkriege miterlebt hat, Inflation, Enteignung, Flucht und Vertreibung, Diktaturen und Revolutionen, und die ohne Autos, Fernsehen und Internet groß geworden ist. Ihre Erlebnisse, Bräuche, Rezepte sind so weitergebenswert für die junge Generation! Wie besteht man das Leben in harten Zeiten? "Mein Glaube war mein Rezept!", hat unser Jubilar Herbert Getzkowski zu seinem 100. Geburtstag bekannt. Auch für den Glauben gilt Gottes "bitte weitergeben!" von Generation zu Generation, von Mensch zu Mensch. In vielen Familienist die Weitergabe des Glaubens unterbrochen worden. Vielleicht ist die Weihnachtszeit eine gute Gelegenheit, neu anzufangen, damit der Glaube wieder weitergegeben wird wie das Licht zum Sternaufzug und sich die vielen kleinen Flämmchen des Glaubens zu einem Lichtermeer verbinden?

Ihr Pfarrer Dr. Arndt Haubold

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