Was ist eigentlich „Gottesdienst“?
Die letzten Wochen haben infolge der Pandemie-Maßnahmen auch eine lebhafte, fruchtbare Diskussion ausgelöst, wie Gottesdienst unter eingeschränkten Bedingungen gefeiert werden kann, ja was letztlich Gottesdienst für uns ist. Wie lang muss er sein? Was muss er unbedingt enthalten? Wie oft und an welchen Tagen bieten wir ihn an, damit alle, die wollen, mitfeiern können? Und braucht es das Abendmahl, um gültiger Gottesdienst zu sein? Die Meinungen gingen durchaus auseinander, und das ist zur Klärung sehr produktiv. Dazu will ich ein paar Gedanken aufzeigen:
Gottesdienst hat in ökumenischer Sicht fünf Teile: (1) Eröffnung und Anrufung, (2) Verkündigung und Bekenntnis, (3) Fürbitte und Gebet, (4) Abendmahl und (5) Entlassung und Segen. Wir beginnen (1) im Namen des Dreieinen Gottes, der unser Zusammensein segnet. Gebet, Psalm oder Lied schließen den Teil ab. Biblische Lesungen, aber auch Auslegungen, bringen uns (2) Gottes Wort nahe, auf das wir mit dem Bekenntnis unseres Glaubens, aber auch mit dem Bekennen unserer Schuld antworten. Danach (3) stellt sich Gemeinde der vielfachen Not in Stadt und Land und dieser Welt. Sie tut dies in allgemeiner und konkreter Fürbitte. Wir treten für Geschwister, Notleidende, Mitmenschen ein, bringen sie vor Gott und stellen alles unter das Gebet Jesu. Dann feiern wir (4) das Mahl des Herrn, wie es im Ursprung in Häusern üblich war. Wir spüren dabei, wie Gottes Liebe nicht nur den Verstand, sondern auch Seele und Leib umfasst. Die Gaben im Mahl sind dabei sichtbares, greifbares Gotteswort. (5) Gestärkt und gesegnet gehen wir dann in unseren Alltag und versuchen, das Gehörte und Erbetene umzusetzen, auch bei den Gelegenheiten, die als Einladungen genannt werden.
Martin Luther hat einmal erklärt, was Evangelischer Gottesdienst ist: „Wenn unser Herr selbst mit uns redet in Wort und Sakrament, und wir mit IHM durch Gebet und Lobgesang.“ (Predigt zur Eröffnung der Schlosskirche Torgau). Gottesdienst ist damit ein sich gegenseitig durchdringendes Kommunikations-Geschehen zwischen Gott und uns, wobei nicht kleinlich aufgerechnet werden muss, wer nun an welcher Stelle redet. Im Gottesdienst geschieht Resonanz. Gesprochenes und Gehörtes durchdringen einander. Gott und Mensch begegnen sich. Aus diesem Grunde wäre es nicht evangelisch und für mich kein Gottesdienst, wenn Gemeinde nur „distanziert“ zuschaut, z.B. nur zusieht, wie ein Priester das Abendmahl einsetzt und allein verzehrt. Aber auch, wenn sich Gemeinde hinter einem Mundschutz-bedeckten Gesicht verschanzt und nicht mehr zu erkennen gibt, ob sie noch mitfeiert. Die von uns gefeierten Gottesdienste müssen diesen Kriterien auch in Corona-Zeiten standhalten, um Gottesdienste zu sein, Ausreden gibt es nicht. Sonst sollten wir die Veranstaltung anders nennen, z.B. Konzert, Meditation, stilles Gebet, offene Kirche... All das sind schöne, bewährte Formen, aber eben kein Gottesdienst.
Andererseits ist es aus meiner Sicht nicht erforderlich, jeden Sonntag Abendmahl zu feiern. Es ist schön, wünschenswert, biblisch. Manchmal geht es aber einfach nicht. Das ist nicht schimm, denn im Abendmahl wird uns nicht mehr geschenkt, als wir mit Herz und Geist im Gotteswort schon gehört haben. Das ist altkirchlicher und ökumenischer Konsens.
Ebenfalls ist es nicht zwingend, immer laut mit Stimme zu singen. Es trifft zwar den Nerv unserer Gottesdienst-Kultur, auf Choräle und Lieder länger zu verzichten. Aber auch ein wechselnd gesprochener Psalm, ein miteinander gesprochenes Bekenntnis oder Gebet, ein Ruf „Herr erbarme dich!“ erfüllen die Bedingung, dass Mitfeiernde auf das Gehörte innerlich antworten, dass sich Kommunikation zwischen uns und Gott ereignet. Und das kann sogar glaubhaft und hörbar durch Mundschutz erfolgen.
So verstehe ich die Gottesdienste, die wir seit einigen Wochen verändert feiern, nicht unbedingt als „Glanzstücke“, aber doch in jedem Fall als Gottesdienst. Auch die Länge spielt dabei keine Rolle. Ich möchte mich bemühen, auch unter erschwerten Bedingungen weiter mit unseren Gemeinden Gottesdienste zu gestalten: kleinere, kürzere, auch ganz ohne Lieder. Und hoffentlich bald wieder große, lange und festliche, mit Gesängen, Pauken und Trompeten. Gott schenke es!
Ihr Pfarrer Frank Bohne
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